Gesundheitswesen 2004; 66 - 119
DOI: 10.1055/s-2004-833857

Therapiecompliance bei rheumakranken Kindern und Jugendlichen

M Niewerth 1, K Minden 1, 2, G Ganser 3, RM Küster 4, D Möbius 5, A Zink 1
  • 1Deutsches Rheuma-Forschungszentrum, Berlin
  • 2Helios Klinikum Berlin-Buch, II. Klinik für Kinderheilkunde und Jugendmedizin
  • 3St. Josef-Stift, Abteilung für Kinder- und Jugendrheumatologie, Sendenhorst
  • 4Rheumaklinik Bad Bramstedt, Pädiatrie
  • 5Carl-Thiem-Klinikum, Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, Cottbus

Hintergrund: Kinder und Jugendliche mit chronischen Gelenkentzündungen bedürfen umfassender und oft über Jahre hinaus auszuführender Behandlungsmaßnahmen. Diese beziehen sich nicht nur auf die zumeist tägliche Medikamenteneinnahme sondern auch auf die selbständige Durchführung von Bewegungsübungen und der Nutzung von ergotherapeutischen Hilfen. Therapiecompliance stellt somit ein wesentliches Problem bei der komplexen Behandlung von rheumakranken Kindern und Jugendlichen dar. Ziel: Anhand der Daten der Kinder-Kerndokumentation, die eine Art „Register für rheumakranke Kinder und Jugendliche“ darstellt, wurde die Therapiecompliance bei chronischen Gelenkentzündungen am Beispiel der juvenilen idiopathischen Arthritis (JIA) untersucht. Methoden: Berücksichtigung fanden die Daten behandelter JIA-Patienten. Ausgewertet wurden die Angaben der Patienten zur Compliance (3-stufige Likert-Skala) in Bezug auf Medikamenteneinnahme, Durchführung von Krankengymnastik und Tragen von Schienen. Einflussfaktoren auf die Medikamenten-Compliance wurden mittels logistischer Regression errechnet. Ergebnisse: Im Jahr 2002 beteiligten sich über 30 kinderrheumatologische Einrichtungen an der Dokumentation. Von den insgesamt etwa 3.500 erfassten JIA-Patienten wurden drei Viertel entweder mit nicht steroidalen Antirheumatika (57%), Krankengymnastik (69%) und/oder sog. Basismedikamenten (45%), u.a. Methotrexat und Sulfasalazin, versorgt. 31% der behandelten Patienten gaben an, ihre Medikamente unregelmäßig oder gar nicht einzunehmen. Signifikante Unterschiede bestanden zwischen den einzelnen JIA-Subgruppen (p=0,000): Patienten mit systemischer Arthritis gaben die höchste Medikamenten-Compliance an (81%), Patienten mit enthesitis-assoziierter Arthritis die geringste (50%). Die Medikamenten-Compliance nahm außerdem mit zunehmender Krankheitsdauer ab (p=0,000): lag sie bei maximal 3 Jahre-Kranken bei 76%, fiel sie bei den mehr als 10 Jahre-Kranken auf 53%. Noch ungünstiger stellte sich die Compliance in Bezug auf Krankengymnastik und das Tragen von Schienen dar. Hier berichteten 75% aller JIA-Patienten non-compliant zu sein. Nur 2% der Kinder und Jugendlichen hatten in den letzten 12 Monaten an einer Patientenschulung teilgenommen. Diskussion: Bereits bei direkter Patientenbefragung wird offenbar, dass Non-Compliance bei der JIA-Behandlung eine große Rolle spielt. Die Therapiecompliance bei Patienten mit JIA ist unbefriedigend, insbesondere bei Jugendlichen und Langzeitkranken. Diese Tatsache muss bei der Beurteilung von Langzeittherapieeffekten berücksichtigt werden. Schlussfolgerungen: Ein Ausbau des Angebotes und eine vermehrte Teilnahme an Patientenschulungsmaßnahmen könnte zur Verbesserung der Therapiecompliance betragen.