Gesundheitswesen 2004; 66 - 150
DOI: 10.1055/s-2004-833888

Psychosoziale Kosten des Übergewichts: Ein bevölkerungsbezogenes Assessment im Rahmen eines Gesundheitssurveys in der Region Augsburg („KORA-Survey 2000“)

T von Lengerke 1, J John 1, C Janßen 2
  • 1GSF-Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheit, Neuherberg
  • 2Universität zu Köln

Hintergrund: Aktuelle Reviews zu den psychosozialen Kosten von Übergewicht konstatieren eine sehr uneinheitliche Befundlage. Insbesondere wird die „jolly fat“-Hypothese kritisiert, nach der Übergewichtige über günstigere psychische Ressourcen verfügen sollen. Ziel: Vergleich von Personen mit verschiedenen Graden von Übergewicht mit Normalgewichtigen hinsichtlich ihrer gesundheitsbezogenen Lebensqualität, ihren gesundheitlichen Kontrollüberzeugungen, ihrem Kohärenzsinn sowie ihrem sozialen Netzwerk. Methoden: Im KORA-Survey 2000, einer Querschnittsstudie zur Gesundheit der Bevölkerung in der Region Augsburg, nahmen N=4261 Personen im Alter von 25–74 teil (Teilnahmerate: 67%); die vorliegenden Daten stammen von den N=947 Teilnehmern einer telefonischen Mehrpunkt-Nachbefragung (Teilnahmerate: 80%). Gesundheitsbezogene Lebensqualität wurde mit dem SF-12, gesundheitliche Kontrollüberzeugungen mit den MHLC-Skalen (Wallston), Kohärenzsinn mit dem SOC-13 (Antonovsky) sowie soziales Netzwerk mit dem SNI (Berkman) erfasst. Ergebnisse: Übergewichtige unterscheiden sich mit Ausnahme der MHLC-Dimension „significant others/doctors“ (höhere Werte, p=,02) in keinem anderen untersuchten psychosozialen Merkmal in systematischer Weise von Normalgewichtigen. Demgegenüber verfügen adipöse Frauen und extrem adipöse Männer (alters- und schichtadjustiert) über eine deutlich schlechtere körperliche Gesundheit (Summenskala des SF-12, p < ,0001), wobei sich für die Gruppe der extrem adipösen Männer zugleich kein signifikanter Unterschied mehr zur Gruppe der bekannten Typ 2-Diabetiker erkennen lässt. Diskussion: Die Ergebnisse ergänzen die Forschung zu den psychosozialen Kosten des Übergewichts um teilweise bisher nicht untersuchte Variablen. Schlussfolgerungen: Die Studie unterstreicht die fehlende Validität der „jolly fat“-Hypothese sowie den Bedarf an Behandlung und Prävention von Übergewicht, um gesundheitsbezogene Lebensqualität im Sinne eines guten körperlichen Gesundheitszustandes wiederherzustellen und zu fördern.