Gesundheitswesen 2004; 66 - 158
DOI: 10.1055/s-2004-833896

Risikofaktoren und Ressourcen der Arbeitsfähigkeit bei Lehrern und Bürofachkräften

R Seibt 1, L Lützkendorf 1, M Thinschmidt 1, S Mühlpfordt 1
  • 1Institut und Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin, Technische Universität Dresden

Ziel: Arbeitsbedingte Erkrankungen haben in psychisch belastenden Berufen ein besorgniserregendes Ausmaß erreicht. Das gilt besonders für Lehrer (LE), aber auch Bürofachkräfte (BÜ). Um präventive Maßnahmen zur Erhaltung der Arbeitsfähigkeit (Af) abzuleiten, ist die Erkennung von Risiken und Ressourcen, die die Af beeinflussen, notwendig. Es wurde untersucht, in welcher Weise sich die Berufsbelastung sowie gesundheitliche ‘Risikofaktoren’ und Ressourcen auf die Af dieser Berufsgruppen auswirken. Methoden: An der Untersuchung nahmen 160 Frauen –100 LE und 60 BÜ – im Alter von 25 bis 60 Jahren teil. Das Durchschnittsalter der beiden Gruppen betrug 45±8 bzw. 43±9 Jahre. Die Af wurde mittels Work Ability Index erfasst und als niedrig (7 Punkte), mittel, gut oder hoch (49 Punkte) klassifiziert. Als Einflussfaktoren wurden u.a. Body Mass Index (BMI), Fitness, Beschwerden, kalendarisches und vitales Alter (FAI) und berufliche Verausgabung und Anerkennung (Effort-Reward-Imbalance – ERI) betrachtet. Ergebnisse: Die Af der LE fällt mit 39±6 Punkten signifikant geringer aus als die der BÜ (41±5 Punkte). Mehr LE als BÜ weisen niedrige (9%) und mittlere (28 vs. 18%) Af auf. Gute Af ist in beiden Berufsgruppen gleichverteilt (50 vs. 53%), aber hohe Af tritt bei BÜ doppelt so häufig wie bei LE auf (13 vs. 29%). Aufgrund der Einflussfaktoren lassen sich 88% der LE und BÜ reklassifizieren, d.h. sie sind der richtigen Gruppe mit verminderter (schlecht + mittel) bzw. guter (gut + sehr gut) Af zuordenbar. LE weisen gegenüber BÜ ein 1,6fach höheres Risiko für verminderte Af auf. Deutliche Einflussfaktoren dafür sind: mehr Beschwerden und Erschöpfungssymptome, ungünstigerer ERI, höherer BMI. Ressourcen der LE ergeben sich aus höherer mentaler Leistungsfähigkeit, guter Fitness und jüngerem FAI. Vor allem psychische Beschwerden, Erkrankungen des Wirbelsäulenbereichs sowie Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen bedingen bei LE die verminderte Af. Schlussfolgerungen: LE stellen eine Berufsgruppe mit hohem gesundheitlichen ‘Gefährdungspotential’ und erhöhtem Anteil verminderter Af (37%) dar. Zur Ursachenfindung ist die differenzierte Beurteilung von personalen und berufsbedingten Einflussfaktoren (u.a. Gratifikation) bedeutungsvoll. Das ermöglicht gezielte Maßnahmen zum Erhalt und zur Wiederherstellung der Af.