Gesundheitswesen 2004; 66 - 166
DOI: 10.1055/s-2004-833904

Strategisches Controlling zur Berücksichtigung des soziodemografischen Wandels in einem sozialmedizinischen Dienst

M Brambrink 1, M Rieger 1, U Heine 1
  • 1MDK Westfalen-Lippe, Münster

Hintergrund: Der MDK-WL führt jährlich rund 120.000 Pflegebegutachtungen gemäß SGB XI durch. Die Pflegeanträge werden nach eigener Einschätzung bei beginnender Pflegebedürftigkeit bzw. zunehmendem Fremdhilfebedarf gestellt. Daher ist zur Prognostizierung des zukünftigen Gutachtenaufkommens neben Alter und Geschlecht – starke Altersabhängigkeit der Pflegebedürftigkeit – das soziale Umfeld zu berücksichtigen. Ziel: Eine Prospektive Betrachtung des Begutachtungsaufkommens und Leistungsspektrums in der Pflegeversicherung bis 2020. Methoden: Datenvollerhebung der Pflegebegutachtung aus 2001; Berechnung eines demografischen Modells für WL; Identifizierung möglicher Einflussfaktoren; Hochrechnung des Antragsverhalten, der Pflegeeinstufung und der beantragten Leistungen. Ergebnisse: Steigerung des Gutachtenaufkommen in 10J. um 18%, in 20J. um 43%. Das Antragsverhalten ist erwartungsgemäß mit dem Alter korreliert und nimmt bei Hochbetagten exponentiell zu. Die altersbezogene Inzidenz der Pflegebedürftigkeit zeigt deutliche Geschlechtsunterschiede; unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Altersstruktur ist die Gesamt-Inzidenz sehr ähnlich. Zusätzlich zeigte sich, dass Anträge für alleinlebende Personen überproportional häufig unbegründet sind (55% nicht erheblich Pflegebedürftige vs. 35%). Anträge Zusammenlebender sind hingegen bei Frauen häufiger unbegründet als bei Männern (39% vs. 32%). Diskussion: Unter Mitberücksichtigung der Parameter Alter und Geschlecht ergibt sich, dass nicht alleinstehende Frauen deutlich häufiger eine Pflegestufe verfehlen. Ein Erklärungsansatz ist, dass der meist männliche Partner eher geneigt ist, bei beginnendem Fremdhilfebedarf seiner Partnerin einen Pflegeantrag zu stellen. Schlussfolgerungen: Vor dem Hintergrund des aktuellen Pflegegesetzes muss der MDK WL mit einer jährliche Steigerung des Gutachtenaufkommens von rund 2% rechnen. Als Einflussfaktoren sind die demographische Entwicklung und der Anteil allein lebender Personen zu berücksichtigen.