Gesundheitswesen 2004; 66 - 182
DOI: 10.1055/s-2004-833920

Soziale Ungleichheit und Blutzuckerkontrolle bei Typ-2-Diabetes: Ein Problem auch in Deutschland?

V Reisig 1, A Mielck 1, A Döring 2, P Reitmeir 1, W Rathmann 3
  • 1GSF – Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheit, Institut für Gesundheitsökonomie und Management im Gesundheitswesen
  • 2GSF – Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheit, Institut für Epidemiologie
  • 3GSF – Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheit, Abteilung für Biometrie und Epidemiologie, Deutsches Diabetes-Forschungsinstitut

Hintergrund: Typ-2-Diabetes ist häufiger in sozial benachteiligten Statusgruppen, auch in Deutschland. Weitergehende Analysen über soziale Unterschiede bei der Versorgung von Typ-2-Diabetikern, oder bei ihrer Morbidität und Mortalität, liegen nur aus dem Ausland vor. Bezogen auf die Blutzuckerkontrolle sind diese Ergebnisse widersprüchlich. Ziel: Untersuchung von sozioökonomischen Unterschieden (gemessen über Bildung, beruflicher Status, soziale Schicht) bei der Blutzuckerkontrolle (gemessen am HbA1c-Wert) und bei anderen ‘health outcomes’ von Typ-2-Diabetikern, und Vergleich mit einer nicht-diabetischen Kontrollgruppe. Methoden: Survey von 373 Männern und Frauen mit Typ-2-Diabetes (Durchschnittsalter 68 Jahre) und 518 nicht-diabetischen Kontrollen (gematcht nach Alter und Geschlecht; rekrutiert aus bevölkerungs-repräsentativen Surveys und dem Herzinfarktregister im Raum Augsburg; KORA-A Studie). Analyse (logistische Regression mit Adjustierung für Alter, Geschlecht und Diabetesdauer) sozialer Unterschiede bei HbA1c-Werten, kardiovaskulären Risikofaktoren und Diabeteskomplikationen. Ergebnisse: Die Blutzuckerkontrolle ist bei der unteren Statusgruppe signifikant schlechter als bei der oberen (z.B. Typ-2-Diabetiker aus dem Herzinfarktregister: OR für die untere soziale Schicht eine adäquate Blutzuckerkontrolle zu verfehlen 2,49; 95% Konfidenzintervall 1,22–5,07). Diskussion: Unsere Ergebnisse zur sozialen Ungleichheit bei der Blutzuckerkontrolle fügen sich gut in das Bild aus internationalen Studien ein. Das Fehlen von signifikanten Assoziationen für die meisten untersuchten ‘health outcomes’ über HbA1c-Werte hinaus könnte in der relativ geringen Fallzahl begründet sein oder darin, dass die untersuchten Probanden relativ alt sind. Schlussfolgerungen: Die Blutzuckerkontrolle bei Typ-2-Diabetikern weist eine starke soziale Abhängigkeit auf. Im Bereich der Gesundheitsversorgung müssen verstärkte Anstrengungen gemacht werden, um dieser gesundheitlichen Ungleichheit entgegenzuwirken.