Kurative und palliative Medizin verfolgen auf den ersten Blick zutiefst unterschiedliche
Behandlungsziele. Der kurativen Medizin stehen mit den Möglichkeiten der modernen pharmakologischen und technischen Entwicklungen
der letzten knapp 100 Jahren ungeahnte Möglichkeiten offen. Mit einem sehr hohen technischen,
diagnostischen und therapeutischen Einsatz, liegt der Schwerpunkt auf Heilung erkrankter
Organe bzw. Lebenserhaltung oder Lebensverlängerung. Dabei werden Einbußen von Lebensqualität
den Patienten betreffend in Kauf genommen. Finanzielle Aufwendung in Forschung und
Lehre werden weltweit intensiv betrieben, nur Spezialisierungen auf einzelne Fachteilgebiete
ermöglichen die Übersicht rasanter Entwicklungen zu erhalten. Spezialistenteams agieren
in teils nüchternen, zweckmäßigen Einrichtungen, Mitentscheidungen und Mitsprache
des Patienten sind zwar iuridisch eingeräumt, letztendlich ist aber der Rat des spezialisierten
Arztes ausschlaggebend. Tritt jedoch trotz aller Bemühungen die Inkurabilität ein,
so kommt es entweder zu einem Reflex der Todesabwehr oder Todesverzögerung mit allen
zu Verfügung stehenden Möglichkeiten oder zu einem ärztlichen Rückzug. Die palliative Medizin, vielfach als eine neue Form der Medizin apostrophiert, ist so alt wie heilendes
Handeln selbst und ist den ältesten bekannten Kulturen verankert. Palliative Medizin
ist eine angemessene medizinische Versorgung von Patienten mit fortgeschrittenen oder
progredienten Erkrankungen mit einer begrenzten Lebenserwartung. Sie umfasst alle
körperlichen, psychischen sozialen, spirituellen und kulturellen Bedürfnisse des Patienten
und ist auf deren Lebensqualität zentriert. Sie schließt auch die Bedürfnisse der
Familie vor und nach dem Tod ein und verhindert damit einen frühen psychischen und
sozialen Tod. Ausschlaggebend für die Behandlung sind die Bedürfnisse des Patienten.
Ein multidisziplinäres Team, dem auch Laien als ehrenamtliche Mitarbeiter angehören,
kommt diesen Bedürfnissen nach. Im Gegensatz zur kurativen Medizin befinden sich Forschung
und Lehre noch im Hintertreffen, wobei weltweit ermutigende Entwicklungen zu beobachten
sind. Ziel jeder therapeutischen Intervention soll nun sein, dass diese beiden Formen der Medizin nicht streng von einander getrennt sequentiell ablaufen mögen, sondern gemeinsam je nach Krankheitsstadium miteinander kooperieren. So soll schon bei Diagnosestellung einer Erkrankung mit Einleitung der Akutmaßnahmen
auch die Werkzeuge der Palliativmedizin in Betracht gezogen werden, die umso intensiver
zum Tragen kommen mögen, je mehr sich die Erkrankung Richtung Chronifizierung bzw.
Inkurabilität entwickelt. Dies kann nur in dem Ausmaß zu Tragen kommen, in dem das
agierende Team mit den Möglichkeiten der Palliativmedizin vertraut und ausgebildet
ist. Anderseits wird es immer wieder Situationen geben, in der die Maßnahmen und Techniken
der modern kurativen Medizin auch Stadien der Inkurabilität zum Einsatz kommen müssen
und sollen. Die Domäne der Palliativmedizin ist letztlich das Finalstadium einer Erkrankung
und die Sterbephase, in der alle Mitglieder des multidisziplinären Teams einschließlich
der ärztlichen Betreuung, auch über den Tod der Patienten hinaus, gefordert sind.