Die Diagnose Krebs beinhaltet für alle Betroffenen einen massiven Einschnitt in das
Leben und löst schwere seelische Krisen aus. Wärme, Nähe, Zärtlichkeit .... Wir benötigen
sie alle, aber wer eine schwierige und schmerzhafte Zeit durchlebt und dessen Lebenszeit
sehr begrenzt ist, braucht sie mehr als andere. Unsicherheit, Unwissenheit und Tabuisierung
sind ein Grund mehr zu helfen, Hemmungen abzubauen, Leben (neu) lernen zu lassen,
eine Balance zu finden von Leben und Schmerz, zu lernen trotz allem Lüste zu wecken
und zu genießen. Genuss dient der Zerstreuung der Konzentration der Sorge, jedoch
nicht um sie völlig aufzuheben, sondern sie erneut zu ermöglichen. Schwere Erkrankungen
beeinflussen die sexuelle Aktivität und den Umgang damit. Erotik und Sexualität haben
im Krankenhaus oder einer anderen Pflegeeinrichtung nichts zu suchen. Weder Patienten
noch Pflegende stoßen auf Akzeptanz oder gar Ermutigung, wenn sie sich der Thematik
nähern. Insbesondere Pflegende, die durch ihre Tätigkeit den engsten, intensivsten
und intimsten Kontakt zum Patienten haben, sind der Problematik in ganz besonderer
Weise ausgesetzt, besonders im Umgang mit Langzeitpatienten und Sterbenden. In keinem
anderen Beruf kommen sich fremde Menschen körperlich und seelisch so nahe, in keinem
anderen Bereich wie der Hospiz- und Palliativpflege sind Helfende so vertraut mit
den intimsten Problemen von Betroffenen und Angehörigen. Sexualität – zu sehen als
Grundbedürfnis des Lebens – hört nicht mit dem Erreichen eines bestimmten Alters oder
mit einer Erkrankung auf. Die Arten und die Fülle der Lüste und Genüsse des Lebens,
ihre gekonnt-kreative Komposition, in den verschiedenen Lebensabschnitten, ist die
Kunst der Erotik, des Wohlempfindens. Auf der Suche nach Kraftquellen am Lebensende,
auf der Suche nach Lösungsmöglichkeiten zur Akzeptanz und dem Verständnis für ein
unverzichtbares Element der eigenen Lebensqualität auch in schwierigen Lebenssituationen.
„Du bist der, von dem Du willst, das man ihn begehrt und liebt, nicht der Du hättest
sein können, wenn Du größer, kleiner, schlanker wärst – oder ohne die Spuren, die
das Leben und Krankheit hinterlassen.“