Die Autorin, die im Krankenhaus Barmherzige Brüder Linz (350 Betten) ein integriertes
Palliativteam aufgebaut hat und leitet, hatte Anfang 2004 die Gelegenheit, drei Monate
die medizinische Leitung einer Palliativeinheit in einem englisch-anglikanischen Missionskrankenhaus
(300 Betten) als Vertretung zu übernehmen. Beide Einrichtungen sind innerhalb der
letzten 2–4 Jahre entstanden.
Ziel dieser Arbeit ist es durch Beschreibung von Gemeinsamkeiten und Unterschieden
herauszufinden, ob Palliative Care in verschiedenen Kulturen prinzipiell unterschiedlich
angegangen werden muss. Dabei sollen zwei Aspekte besonders beleuchtet werden: Erstens
die Akzeptanz des übrigen Krankenhauspersonals dieser für sie neuen Form der Patientenbetreuung
im Vergleich und zweitens die in den beiden Ländern unterschiedlichen Bedürfnisse
der Patienten und Familien. Bei den Aussagen handelt es sich um eigene Beobachtungen
und die der jeweiligen Teamkollegen.
Gemeinsam ist beiden eine christliche Trägerorganisation, unterschiedlich die Erkrankungen
der zu betreuenden Menschen (Linz: 70% maligne, 30% benigne Erkrankungen, bis jetzt
0% AIDS; Muheza: 80% AIDS, 10% maligne Erkrankungen, 10% andere). Grosse Unterschiede
gibt es in der Annahme der Diagnose einer zum Tode führenden Krankheit, dem Bedürfnis,
darüber zu sprechen, im Wollen, doch wieder gesund zu werden, im „Loslassen können“,
in der Trauerreaktion. Gemeinsam ist, dass viele vom so genannten übrigen Krankenhauspersonal
Palliative Care zunächst skeptisch gegenüber stehen. Einerseits wird die Notwendigkeit
dieser Form der Betreuung nicht gesehen. Andererseits ist der ehrliche, offene Umgang
mit der Wahrheit und mit einem nahen Sterben und das Mitaushalten von Leiden für alle
Menschen schwer. Die Ursache dessen ist wieder unterschiedlich. In Österreich erlaubt
die fast alles ermöglichende Medizin das Denken an ein Sterben nicht. In Tansania
findet das Leid und der Tod fast in jeder Familie statt, tagtäglich. Das an sich Heranlassen
des täglichen Sterbens von vor allem jungen Menschen tut auf die Dauer sehr weh. Daher
wird eher verdrängt. Gemeinsam ist allen leidenden Menschen Sehnsucht nach Schmerzfreiheit,
Sehnsucht nach Geborgenheit in der Familie, Sehnsucht nach Liebe, Freundschaft, Sehnsucht
nach einem liebenden, barmherzigen höheren Wesen oder Gott. Gemeinsam ist auch, dass
Liebe, Respekt, Ernst-Nehmen, Lindern und Wahrhaftigkeit Sieger über alles Leid sind.
Daher sind nach Erfahrung der Autorin die Prinzipien von Palliative Care kulturell
unabhängig und ist diese Form der Betreuung überall notwendig.