Zusammenfassung
Die von der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) im April 2005 veröffentlichten
„Empfehlungen zu postgradualen Curricula in der Suchthilfe” werden vorgestellt und
einer kritischen Analyse unterzogen. Dies geschieht vor dem Hintergrund langjähriger
Forschungs-, Praxis- und Lehrerfahrung des Autors und auf der Basis der aktuellen
Diskussionen um Modernisierung und Innovationen in der Suchthilfe. Folgende Hauptkritikpunkte
werden herausgearbeitet: Die Empfehlungen stellen erstens keinen ausreichenden Bezug
zu Wissenschaft und Forschung in der Suchthilfe her, sind zweitens eher berufsständischer
und berufspolitischer Natur, bezogen einseitig auf die Disziplin „Soziale Arbeit”,
und orientieren sich drittens an einem konventionellen, restriktiven Verständnis der
Suchthilfe und sind dementsprechend als Versuch zur Wahrung bestehender Strukturen
und Interessen zu entlarven. Insgesamt ergibt sich, dass die Empfehlungen keinesfalls
zur Analyse postgradualer Curricula in der Suchthilfe tauglich sind und daher keinen
dementsprechenden Stellenwert erhalten sollten. Vielmehr sind die deutschen Hochschulen,
auch in Kommunikation mit innovativen Vertretern der Suchthilfepraxis und der Weiterbildungsträger,
aufgefordert, zukunftsfähige Konzepte unter Vermeidung der im Detail elaborierten
Kritikpunkte zu erarbeiten bzw. fortzuschreiben. Suchthilfespezifische Studiengänge
an deutschen Hochschulen machen nur Sinn, wenn es gelingt, einerseits eine durchgehende
intensive Wissenschaftsorientierung sicherzustellen und andererseits einen engen Forschungs-Praxis-Transfer
und vice versa zu realisieren.
Abstract
In April 2005, the "Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen" (DHS) (German office for
addiction issues) published recommendations for postgraduate curricula concerning
addiction support ("Empfehlungen zu postgradualen Curricula in der Suchthilfe"). These
recommendations will be presented and critically analysed. The author relies on many
years of experience in research, practice and lecturing, and this presentation is
based upon the current discussion related to modern and innovative approaches in addiction
support. Main points of criticism are, firstly, that the recommendations are not sufficiently
related to science and research in the field of addiction, secondly, that they are
rather related to issues of profession and policy with a bias towards "social work",
and, thirdly, that they are orientated towards a conventional, restrictive interpretation
of addiction support and should, accordingly, be exposed as an attempt to safeguard
existing sinecures and interests. As a result, the recommendations are in no way suitable
for the analysis of postgraduate curricula concerning addiction support and should,
therefore, not be attributed undue importance. German universities should rather communicate
with representatives of innovative practice in addiction support and those responsible
for further education, in order to develop concepts for the future that avoid the
critical points described hereafter. Addiction related courses of study at German
universities only make sense, if we succeed, on the one hand, to assure a continuous
intensive orientation towards science and, on the other hand, to realise a close transfer
from research to practice and back.
Schlüsselwörter
Suchthilfe - Suchtforschung - Weiterbildung - Studium
Key words
Addiction care - addiction research - continuous training - study
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Prof. Dr. Michael Klein
Katholische Fachhochschule Nordrhein-Westfalen, Kompetenzplattform Suchtforschung
Wörthstraße 10
50668 Köln
Email: Mikle@kfhnw.de