Die soziale Phobie gehört zu den häufigsten Angsterkrankungen. Ätiologische Modelle
legen eine genetische Prädisposition in Verbindung mit Umweltfaktoren nahe. Es wird
eine Analyse vorgestellt, in der ein Belastungsscore aus vier manifesten Kindheitsbelastungen
(sexueller Missbrauch, körperliche Züchtigung, körperliche Gewalt zwischen den Eltern
und Trennung der Eltern) sowie verschiedene Dimensionen der Eltern-Kind-Beziehungen
(Kindheitsfragebogen, Hardt et al. 2003) simultan zur Erklärung aktueller soziophober
Symptome (Symptomcheckliste) bei Erwachsenen herangezogen werden. Die Analyse basiert
auf einer Querschnittserhebung in einer Stichprobe von N=374 Patienten aus der Primärversorgung
mit einem Durchschnittsalter von 40 Jahren. Zwischen der Kindheit und dem Zeitpunkt
der Befragung lagen bei den untersuchten Patienten in der Regel mehr als 25 Jahre.
Ergebnis: Mütterlicher Ehrgeiz, väterliche Liebe sowie das Vorhandensein von mindestens zwei
der vier o. g. manifesten Kindheitsbelastungen erweisen sich als direkte Prädiktoren
für das Auftreten soziophober Symptome. Unter Berücksichtigung der langen Zeit, die
zwischen der Kindheit der Patienten und der Befragung vergangen sind, sind die deutlichen
und hochsignifikanten Assoziationen beeindruckend. Interpretiert man diese Ergebnisse
kausal, was beim derzeitigen Forschungsstand allerdings mit gewisser Zurückhaltung
erfolgen sollte, so stellen die Eltern-Kind-Beziehungen einen nicht zu unterschätzenden
Einfluss für die Entwicklung eines sicheren Umgangs mit anderen Menschen im späteren
Leben dar.
Gefördert durch die Stiftung Innovation für Rheinland-Pfalz 2001–2002 (61/496)