Aktuelle Neurologie 2005; 32 - P86
DOI: 10.1055/s-2005-866663

Gibt es eine selektive Hyposmie bei Patienten mit idiopathischem Parkinson-Syndrom?

S Schulze 1, T Hummel 1, H Reichmann 1, B Herting 1
  • 1Dresden

Hintergrund und Ziel der Studie: Riechstörungen als frühes Kardinalsymptom des idiopathischen Parkinson-Syndroms (PD) werden bei bis zu 90% der Patienten beobachtet und sind in der differenzialdiagnostischen Abgrenzung von anderen Erkrankungen mit parkinsonoider Symptomatik außerordentlich hilfreich. Geruchsidentifikationstests trennen möglicherweise am besten PD Patienten von gesunden Kontrollpersonen. Dabei wurde beobachtet, dass bestimmte Gerüche (z.B. „Pizza“ bzw. „Pizza“ und „Wintergreen“) eine besonders hohe Sensitivität und Spezifität zeigten (Hawkes et al. 1993; Daum et al. 2000). In der vorliegenden Studie sollte untersucht werden, ob sich die Geruchsidentifikation bei hyposmischen PD Patienten von derjenigen bei Patienten mit postviralen oder posttraumatischen Riechstörungen unterscheidet.

Methoden: Als validierten klinischen Test zur Untersuchung des Riechvermögens setzten wir den „Sniffin' Sticks“-Test ein, bestehend aus einer Geruchsschwellenmessung (3fach „forced choice“, „single staircase“), sowie einer Diskriminations- (3fach „forced choice“) und Identifikationsprüfung (4fach „forced choice“) von Gerüchen. Das Ergebnis dieser Subtests ergab den so genannten SDI-Wert, dessen Höhe eine Aussage über die Schwere einer Riechstörung zulässt. Wir untersuchten 20 konsekutive PD Patienten (2 Frauen, 18 Männer; Durchschnittsalter 60±8 Jahre) mit Hyposmie (SDI-Wert 16 bis 30; n=8) oder Anosmie (SDI-Wert kleiner 16; n=12). Der durchschnittliche SDI-Wert lag bei 17±6 Punkten (Bereich: 8 bis 29,5). Die Angaben der PD-Patienten zu den 16 Duftstoffen des Identifikationstests wurden als „richtig“ oder „falsch“ dokumentiert und mit den Ergebnissen von je 20 zufällig ausgewählten Patienten mit posttraumatischer (2 Frauen, 18 Männer; Durchschnittsalter 60±8 Jahre; mittlerer SDI-Wert 14±8) oder postviraler (2 Frauen, 18 Männer; Durchschnittsalter 61±8 Jahre; mittlerer SDI-Wert 16±7) Riechstörung verglichen. Die 3 Gruppen unterschieden sich weder vom Alter noch von der Geschlechtsverteilung noch von den Ergebnissen im Riechtest signifikant voneinander.

Ergebnisse: Die Mehrzahl der PD-Patienten identifizierte in der vorgegebenen Anordnung v.a. die Duftstoffe „Apfel“ (bei 17/20 Patienten falsche Antworten), „Terpentin“, „Lakritz“, „Anis“ (16/20 falsch) und „Zimt“ (15/20 falsch) nicht korrekt, während Gerüche wie „Orange“ und „Knoblauch“ von 14–18 der PD-Patienten richtig erkannt wurden. Diese Ergebnisse unterschieden sich nicht signifikant von den Fehlerraten der Patienten mit postviraler oder posttraumatischer Riechstörung (Chi-Quadrat: p>0.23).

Schlussfolgerung: Offensichtlich unterscheidet sich die Geruchsidentifikation bei Patienten mit PD, postviraler oder posttraumatischer Riechstörung nicht signifikant voneinander. Vielmehr scheinen Patienten mit Riechstörungen unabhängig von der Ursache in der vorgegebenen Anordnung der Begriffe der Mehrfachauswahl bestimmte Duftstoffe besonders schwer oder gar nicht identifizieren zu können.