Einleitung: Instrumentelle Methoden helfen bei Einschätzung und Diagnostik motorischer Störungen.
Gegenüber Ratingskalen besitzen sie eine deutlich höhere Objektivität. Sie haben wegen
mangelnder Standardisierung und hohen Anschaffungskosten bisher nicht den Eingang
in die Routine gefunden. Zudem sind sie meist zeitaufwendig und bedienerunfreundlich.
Unsere Entwicklung basiert auf dem etablierten Zeichnen von Spiralen (=Spiralographie),
das über visuelles Rating zur Verlaufsbewertung dient. Es entstand eine einfache objektive
computergestützte Technik zur Bestimmung der Amplitude des kinetischen Tremors aus
eingescannten Spiralographien (=Spiralometrie).
Material und Methoden: In einer Machbarkeitsstudie untersuchten wir hunderte von Patienten mit Parkinson-Tremor
und entwickelten einen Algorithmus, der aus eingescannten Spiral-Zeichnungen die Tremor-Amplitude
automatisch ermittelt. Zur Kreuzvalidierung werteten wir die Musterspiralen aus der
Tremor-Ratingskala nach Bain aus, die von Bain in zehn Stufen eingeteilt vorlagen.
Wir setzten die Methode in zwei Anwendungsstudien mit jeweils fast tausend Patienten
ein.
Ergebnisse: Die Kreuzvalidierung ergab einen hochsignifikanten Zusammenhang der Tremor-Amplituden
aus der Spiralometrie mit den Ratings nach Bain. Interessanterweise fanden wir einen
exponentiellen Zusammenhang: Im Experten-Rating wurde der Tremor niedriger eingestuft
als es dem Anstieg der gemessenen Amplitude entsprach.
In beiden Studien fanden sich für den Parkinson-Tremor nach Aufdosierung mit Pramipexol
signifikante Wirkungsnachweise. Dabei war die Spiralometrie dem Bain-Rating bei guter
Korrelation mit der klinischen Tremor-Bewertung eindeutig überlegen. Ein zusätzliches
wichtiges Nebenergebnis war eine sehr gute Akzeptanz bei den niedergelassenen Kollegen.
Diskussion und Ausblicke: Die neu entwickelte Spiralometrie kommt dem Ablauf im medizinischen Alltag in vielen
Punkten sehr entgegen. Vor Ort sind nur die standardisierten Vorlagen für die Zeichnung
und ein schwarzer Stift erforderlich.
Inzwischen wurde das Verfahren weiter automatisiert: die Ausdrucke können nun per
Fax zugesandt und innerhalb weniger Minuten die Ergebnisse zurückgefaxt werden. Damit
ist es den Ärzten möglich, noch während der Patient bei ihnen ist, das Ergebnis für
therapeutische Entscheidungen zu verwerten. Die Zuordnung erfolgt per Barcode auf
dem Vordruck. Die blinde Auswertung bessert offene Studien aufgrund der hohen Objektivität
biometrisch entschieden auf. Zwischenzeitlich haben wir weitere Bögen entwickelt:
das Spektrum umfasst u.a. die Huntington'sche Erkrankung und cerebelläre Erkrankungen.
Dieser einfache Test ermöglicht auch eine simple und kostengünstige Therapiekontrolle
des Patienten zu Hause (z.B. als telemetrischer Einsatz über den Postweg). Weniger
Arztbesuche und kürzere Liegedauern im Krankenhaus ermöglichen eine Kostenersparnis.
Ein Screening-Projekt (Frühdiagnostik) mit einer Bevölkerungsstichprobe ist bereits
vorbereitet.