Aktuelle Neurologie 2005; 32 - P90
DOI: 10.1055/s-2005-866667

Spiralometrie – Eine einfache quantifizierende Erfassung motorischer Störungen

PH Kraus 1, A Hoffmann 1
  • 1Bochum

Einleitung: Instrumentelle Methoden helfen bei Einschätzung und Diagnostik motorischer Störungen. Gegenüber Ratingskalen besitzen sie eine deutlich höhere Objektivität. Sie haben wegen mangelnder Standardisierung und hohen Anschaffungskosten bisher nicht den Eingang in die Routine gefunden. Zudem sind sie meist zeitaufwendig und bedienerunfreundlich.

Unsere Entwicklung basiert auf dem etablierten Zeichnen von Spiralen (=Spiralographie), das über visuelles Rating zur Verlaufsbewertung dient. Es entstand eine einfache objektive computergestützte Technik zur Bestimmung der Amplitude des kinetischen Tremors aus eingescannten Spiralographien (=Spiralometrie).

Material und Methoden: In einer Machbarkeitsstudie untersuchten wir hunderte von Patienten mit Parkinson-Tremor und entwickelten einen Algorithmus, der aus eingescannten Spiral-Zeichnungen die Tremor-Amplitude automatisch ermittelt. Zur Kreuzvalidierung werteten wir die Musterspiralen aus der Tremor-Ratingskala nach Bain aus, die von Bain in zehn Stufen eingeteilt vorlagen.

Wir setzten die Methode in zwei Anwendungsstudien mit jeweils fast tausend Patienten ein.

Ergebnisse: Die Kreuzvalidierung ergab einen hochsignifikanten Zusammenhang der Tremor-Amplituden aus der Spiralometrie mit den Ratings nach Bain. Interessanterweise fanden wir einen exponentiellen Zusammenhang: Im Experten-Rating wurde der Tremor niedriger eingestuft als es dem Anstieg der gemessenen Amplitude entsprach.

In beiden Studien fanden sich für den Parkinson-Tremor nach Aufdosierung mit Pramipexol signifikante Wirkungsnachweise. Dabei war die Spiralometrie dem Bain-Rating bei guter Korrelation mit der klinischen Tremor-Bewertung eindeutig überlegen. Ein zusätzliches wichtiges Nebenergebnis war eine sehr gute Akzeptanz bei den niedergelassenen Kollegen.

Diskussion und Ausblicke: Die neu entwickelte Spiralometrie kommt dem Ablauf im medizinischen Alltag in vielen Punkten sehr entgegen. Vor Ort sind nur die standardisierten Vorlagen für die Zeichnung und ein schwarzer Stift erforderlich.

Inzwischen wurde das Verfahren weiter automatisiert: die Ausdrucke können nun per Fax zugesandt und innerhalb weniger Minuten die Ergebnisse zurückgefaxt werden. Damit ist es den Ärzten möglich, noch während der Patient bei ihnen ist, das Ergebnis für therapeutische Entscheidungen zu verwerten. Die Zuordnung erfolgt per Barcode auf dem Vordruck. Die blinde Auswertung bessert offene Studien aufgrund der hohen Objektivität biometrisch entschieden auf. Zwischenzeitlich haben wir weitere Bögen entwickelt: das Spektrum umfasst u.a. die Huntington'sche Erkrankung und cerebelläre Erkrankungen. Dieser einfache Test ermöglicht auch eine simple und kostengünstige Therapiekontrolle des Patienten zu Hause (z.B. als telemetrischer Einsatz über den Postweg). Weniger Arztbesuche und kürzere Liegedauern im Krankenhaus ermöglichen eine Kostenersparnis. Ein Screening-Projekt (Frühdiagnostik) mit einer Bevölkerungsstichprobe ist bereits vorbereitet.