Aktuelle Neurologie 2005; 32 - P107
DOI: 10.1055/s-2005-866684

Akute reversible Psychose bei einem Patienten mit idiopathischem Parkinson-Syndrom nach Einnahme von Rofecoxib

A Unrath 1, M Sabolek 1, J Kassubek 1
  • 1Ulm

Rofecoxib, ein selektiver Cyclooxygenase-2(sCOX-2)-Inhibitor, gehört zu einem neuen Typ entzündungshemmender Medikamente, welche zur Schmerzlinderung und Entzündungshemmung durch Arthrose verursachter Beschwerden angewendet werden. Wir berichten von einer 75-jährigen Patientin mit einem sechsjährigen Krankheitsverlauf eines idiopathischen Parkinson-Syndroms (IPS). Die Diagnosesicherung erfolgte mittels 18F-Dopa-PET. Die Patientin entwickelte ein linksbetontes hypokinetisch-rigides Syndrom ohne Tremor. Sie wurde mit Dopaminagonisten behandelt und erhielt nie L-Dopa-Präparate. Unter 12mg Ropinirol und 300mg Amantadin täglich zeigte sich ein mildes Parkinsonsyndom (23 Punkte motorischer Teil UPDRS; Hoehn und Yahr Stadium 2,5; ADL-Skala nach Schwab und England 80%). Aufgrund eines depressiven Syndroms wurde vor 1,5 Jahre eine Co-Medikation mit Reboxetin addiert. Darunter war die Stimmung der Patientin gut kompensiert. Aufgrund einer schweren beidseitigen Kniearthrose mit Gehbehinderung und mittelschwerer Schmerzen (Skala von 1–10:6) wurde eine zusätzliche Medikation mit dem sCOX-2-Inhibitor Rofecoxib (25mg/die) begonnen. Nach zweitägiger Einnahme entwickelte die Patientin eine akut psychotische Symptomatik, zu Beginn in milder, nach 4 Tagen in maximaler Ausprägung. Sie hatte den Eindruck, dass sich Geister durch ihr Haus bewegten und dass Fabelwesen mit ihr sprachen, sie sah Vögel im Zimmer und Flugzeuge direkt auf ihr Haus zu fliegen. Die Patientin konnte jedoch eine kritische Distanz zu den Halluzinationen wahren. Sie vermutete einen Zusammenhang zwischen dem Auftreten der Halluzinationen und der Einnahme von Rofecoxib, da es sich um ihr einzig neues Medikament handelte. Aufgrund der spürbaren Schmerzlinderung führte sie die Einnahme dennoch fort. Als die psychotische Symptomatik nach 10 Tagen persistierte, beendete sie die Einnahme von Rofecoxib. Innerhalb von 4 Tagen kam es zu einer völligen Rückbildung der Halluzinationen. Die Tatsache, dass die tägliche Dosis aller anderen eingenommenen Medikamente für einen Zeitraum von 3 Monaten vor dem Auftreten der psychotischen Symptomatik unverändert blieb und die deutliche Übereinstimmung der Pharmakokinetik von Rofecoxib (stabiler Serumspiegel nach 4 Tagen) mit dem Auftreten und dem Wiederabklingen der psychotischen Symptome impliziert einen ätiologischen Zusammenhang zwischen der Einnahme von Rofecoxib und der aufgetretenen Psychose. Nach unserem Wissensstand ist dies der erste berichtete Fall einer durch sCOX-2-Inhibitoren induzierten Psychose bei einem Patienten mit IPS. Ein toxischer Effekt erscheint aufgrund der empfohlenen maximalen Tagesdosis von 50mg und der Tatsache, dass bei der Patientin keine Nierenfunktionsstörung bekannt ist (72% renale Elimination) unwahrscheinlich. Darüber hinaus umfassen toxische Effekte nicht-selektiver COX-2-Inhibitoren wie Diclofenac eher Symptome wie Erbrechen, abdominelle Schmerzen, Hypotonie, Schläfrigkeit und epileptische Anfälle, jedoch keine Psychosen.