Aktuelle Neurologie 2005; 32 - 172
DOI: 10.1055/s-2005-866707

Ist bei Dystonie eine neurologische Rehabilitation in der postoperativen Phase bei tiefer Gehirnstimulation sinnvoll?

J Wissel 1, M Naumann 2, J Volkmann 3
  • 1Beelitz-Heilstätten
  • 2Augsburg
  • 3Kiel

Neue Studien zeigen, dass die tiefe Gehirnstimulation bei generalisierter und segmentaler Dystonie eine effektive Behandlung ist. Es zeigt sich, dass deutliche Abnahmen der Dystonie meist erst Wochen bis Monaten nach Beginn der Stimulation eintreten.

Aufgaben der Neurologischen Rehabilitation in dieser postoperativen Phase sind:

  • die sich entwickelnde Abnahme der Dystonie optimal vorzubereiten, d.h. sekundäre Veränderungen wie muskläre- und bindegewebige Verkürzungen, Schmerzsyndrome und sekundäre affektive Störungen zu behandeln;

  • die Wiedereingliederung des Patienten in sein soziales Umfeld vorzubereiten;

  • bei dynamischen Veränderungen der klinischen Fragestellungen eine schnelle Adjustierung der medikamentösen Therapie und ggf. der Stimulationsparameter zu ermöglichen.

Bisher wurden in der postoperativen Phase nach tiefer Hirnstimulation in der Neurologischen Rehabilitationsklinik Beelitz-Heilstätten bei 3 konsekutiven Patienten die sich ergebenden klinischen Fragestellungen prospektiv erfasst. In diese Erhebung wurde eine Frau und zwei Männer (mittleres Alter 31 Jahre, mittlere Reha-Dauer 5 Wochen, ein Patient noch in stationärer Reha) eingeschlossen. Bei nur einem Patienten wurde eine Anpassung der Stimulationsparameter (Auftretens einer hypophonen Stimmstörung) notwendig. Bei allen drei Patienten standen die Behandlungen von im bisherigen Krankheitsverlauf aufgetretenen Sekundärschäden (Kontrakturen, Skoliosen und muskuläre Dehn- und Aktivierungsfähigkeit) im Vordergrund.

Wie zu erwarten stellt ähnlich wie bei Menschen nach epilepsiechirurgischen Eingriffen, für Menschen mit schweren Dystonien die besondere Situation einer Symptomabnahme nach zuvor schwerer chronischer Erkrankung eine psychosoziale und affektive Herausforderung dar („burden of normality“). Dieser Bereich verursacht einen erheblichen Gesprächs- und Behandlungsbedarf im Bereich der psychosoziale Interaktionen zur Vorbereitung der Entlassung in das häusliche Umfeld und kann als weitere relevante Rehabilitationsaufgabe beschrieben werden.