Aktuelle Neurologie 2005; 32(6): 311-312
DOI: 10.1055/s-2005-866825
Editorial
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

10 Jahre Stroke Units in Deutschland

10 Years Stroke Units in GermanyH.-C.  Diener1
  • 1Universitätsklinik für Neurologie
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Publikationsdatum:
26. Juli 2005 (online)

Ein Schlaganfall ist eine verheerende Erkrankung. In Deutschland rechnet man etwa mit 200 000 flüchtigen (TIA) und bleibenden Durchblutungsstörungen des Gehirns. Bis vor etwa 20 Jahren waren die Zukunftsaussichten nach einem Schlaganfall sehr schlecht. Die Mortalität betrug bis zu 40 % und die Hälfte der Überlebenden blieb permanent pflegebedürftig. Vor etwa 20 Jahren zeigten dann erste klinische und tierexperimentelle Studien, wie wichtig es ist, in der Akutphase des Schlaganfalls einzugreifen, um noch potenziell überlebensfähiges Hirngewebe zu erhalten. Ein wesentlicher Fortschritt war die Erkenntnis, dass es dabei extrem wichtig ist, alle wichtigen physiologischen Funktionen wie beispielsweise Blutdruck, Flüssigkeitshaushalt, Sauerstoffsättigung, Körpertemperatur, Blutzucker und ähnliches im Normbereich zu halten. Darüber hinaus zeigte sich, dass die damals übliche Strategie, Patienten möglichst lange ins Bett zu legen und „zu schonen”, grundlegend falsch war und dass eine rasche Mobilisation und ein früher Beginn von Krankengymnastik und Sprachtherapie sehr wichtig sind. Vor etwa 15 Jahren wurde dann erstmals in der Kardiologie der akute Herzinfarkt mit systemischer Thrombolyse behandelt. Als abzusehen war, dass entsprechende Studien auch beim Schlaganfall positiv ausgehen würden, wurde rasch klar, dass spätestens bei der Zulassung der Thrombolyse eine entsprechende Infrastruktur zur Versorgung von Schlaganfallpatienten notwendig war.

In den Vereinigten Staaten, Frankreich, England und in den skandinavischen Ländern gab es seit den 80er-Jahren des letzten Jahrhunderts Spezialeinrichtungen zur Versorgung von Patienten mit akutem Schlaganfall, die so genannten „Stroke Units”. Dabei handelte es sich aber überwiegend um Einrichtungen zur Frührehabilitation, die es Deutschland bereits gab. Aus den dort gewonnenen Erkenntnissen wurde dann für Deutschland das Konzept einer Stroke Unit mit Monitoring entwickelt. Dort werden Patienten mit akuten Schlaganfällen aufgenommen und von einem interdisziplinären Team aus speziell geschulten Ärzten, Pflegekräften, Physiotherapeuten, Logopäden, Ergotherapeuten und Sozialarbeitern betreut. Basierend auf diesem Konzept gelang es dann vor zehn Jahren mit Hilfe von Gesundheitsbehörden, den örtlichen Krankenkassen unter Federführung der AOKs, finanzieller Unterstützung des Landes NRW und der Heinz-Nixdorf-Stiftung sowie der Stiftung Deutsche Schlaganfallhilfe, die ersten Stroke Units in Essen und Minden zu etablieren.

Die Einrichtung von Stroke Units an Neurologischen Kliniken ist eine Erfolgsgeschichte, die ihresgleichen sucht. In der Zwischenzeit gibt es über 150 Stroke Units in Deutschland und die Zahl steigt weiter. An vielen Orten wurden auch Organisationsstrukturen zur optimalen Versorgung von Schlaganfallpatienten um die Stroke Unit herum etabliert. In diesen Schlaganfallverbünden wird die Versorgung von Patienten mit akuten Schlaganfällen vom Eintritt des akuten Ereignisses bis zum Ende der Rehabilitation organisiert. Beteiligt sind hier in der Regel die Gesundheitsämter, Krankenkassen, Ärztekammern, Rettungsdienste, niedergelassene Ärzte, kooperierende Krankenhäuser, Rehabilitationseinrichtungen und Pflegedienste. Im Rahmen der Schlaganfallverbünde gibt es klare Organisationsstrukturen und Handlungsleitlinien für die Aufklärung der Bevölkerung, die Organisation der Notfallversorgung, die Zuordnung von Schlaganfallpatienten zu Krankenhäusern mit Stroke Units, die Einleitung der Sekundärprävention und die Organisation von Rehabilitation bzw. Pflege.

Durch diese optimale Struktur zur Versorgung von Schlaganfallpatienten ist es gelungen, die Sterblichkeit am akuten Schlaganfall auf 15 % zu reduzieren und auch die Zahl der permanent pflegebedürftigen Patienten um etwa 30 % zu senken. Es ist nicht unbescheiden zu sagen, dass, soweit bekannt, Deutschland die beste Versorgung von Schlaganfallpatienten hat.

Prof. Dr. H.-C. Diener

Universitätsklinik für Neurologie

Hufelandstraße 55

45147 Essen

eMail: h.diener@uni-essen.de

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