PiD - Psychotherapie im Dialog 2006; 7(1): 113
DOI: 10.1055/s-2005-915419
Im Dialog
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Leserbrief zu „Harald Krauß: Angststörungen und Psychopharmaka”

PiD Heft 4, Dezember 2005
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Publication Date:
23 February 2006 (online)

Zunächst gebührt dem Autor Dank für die gelungene kurze Übersicht zum Thema und die differenzierte Betrachtungsweise der unterschiedlichen Strategien psychopharmakologischer Behandlungsansätze in Abhängigkeit von der Genese der Störung. Ich möchte hier Stellung nehmen zur medikamentösen Behandlung von Ängsten bei neurotischen, Persönlichkeits- und posttraumatischen Belastungsstörungen.

In dem Artikel wird die Gruppe der Antipsychotika erwähnt, deren Einsatz aber nur dann als sinnvoll eingeschätzt wird, wenn die Angstsymptomatik psychotische Qualität erreiche oder zumindest mit formalen Denkstörungen einhergehe.

Zunächst zur Terminologie: Der Begriff Neuroleptika ist meines Erachtens dem Begriff Antipsychotika vorzuziehen, da die Wirkung und damit auch das Indikationsspektrum über den Bereich psychotischer Störungen deutlich hinausgeht. Da insbesondere die so genannten niederpotenten Neuroleptika keine relevante antipsychotische Wirkung besitzen, sollten diese deshalb auch nicht als Antipsychotika bezeichnet werden. Der Stellenwert der Neuroleptika in der Behandlung von Ängsten bei Patienten mit Ich-Organisation auf neurotischem und Persönlichkeitsstörungsniveau sowie bei posttraumatischen Belastungsstörungen ist m. E. deutlich höher anzusiedeln als in dem Artikel geschehen. Niederpotente Neuroleptika wie beispielsweise Promethazin (Atosil®) können durchaus wirksam helfen, Angstspitzen abzumildern, ein erhöhtes Grundangstniveau abzusenken oder auch das Einschlafen zu verbessern. Diese Substanzgruppe ist indiziert, wenn grundsätzlich die Indikation für eine psychopharmakologische Spannungsreduktion und Anxiolyse besteht, die Symptomatik zugleich aber nicht so ausgeprägt ist, dass auf potente anxiolytisch wirksame Präparate wie Benzodiazepine mit einem ungünstigeren Nebenwirkungsspektrum zurückgegriffen werden müsste. Neuroleptika der neueren Generation (sog. Atypika) wie beispielsweise Quetiapin (Seroquel®) zeigen insbesondere auch bei Patienten mit Persönlichkeitsstörungen auf Borderline-Niveau und komplexen posttraumatischen Belastungsstörungen häufig gute Effekte im Sinne eines Absenkens des allgemeinen Erregungsniveaus sowie auch einer Anxiolyse. Die Gesellschaft zur Erforschung und Therapie von Persönlichkeitsstörungen (GePs) hat deshalb diese Substanzgruppe in ihre Empfehlung zur psychopharmakologischen Behandlung von Borderline-Persönlichkeitsstörungen aufgenommen (PTT 2005; 9: 178 - 179).

Dr. Michael Unger, Naumburg

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