Aktuelle Neurologie 2005; 32 - P291
DOI: 10.1055/s-2005-919325

Störungen der okulären Vergenzbewegungen bei Kleinhirninfarkten

T Sander 1, C Helmchen 1, H Rambold 1
  • 1Lübeck

Das Kleinhirn ist Teil der kortiko-ponto-cerebellären Schleife für konjugierte Augenbewegungen (Sakkaden und langsame Blickfolgebewegungen). Schädigungen des Kleinhirns können zu Blickfolgedefiziten, einer Sakkadendysmetrie oder einer gestörten Blickhaltefunktion führen. Es ist jedoch unbekannt, inwieweit das Kleinhirn auch diskonjugierte Augenbewegungen (Vergenzbewegungen) verarbeitet. Deshalb ist es Ziel dieser Studie zu untersuchen ob Kleinhirnläsionen auch Vergenzbewegungen beeinflussen.

Konjugierte und diskonjugierte Augenbewegungen von Patienten mit isolierten unilateralen Kleinhirnerkrankungen (Infarkte: 3 PICA, 2 SCA und 1 paravermales Kleinhirnkavernom) und 20 Kontrollpersonen wurden mittels des skleralen Magnetspulentechnik untersucht. Durch einen Laserstimulus wurden konjugierte visuell geführte horizontale und vertikale Sakkaden (10 und 20 Grad Amplitude), Blickfolgebewegungen (Step-Ramp-Reize 20 deg/s, sinusförmige-Reize 0.6Hz) und Vergenzbewegungen (schnelle Vergenz, langsame Vergenz: 1.5 deg/s Positionsrampen und Sinus-Reize mit 0.01, 0.03 und 0.08Hz) ausgelöst. Alle Patienten wurden mit konventioneller Kernspinntomographie untersucht und die Ausdehnung der Kleinhirnläsionen rekonstruiert.

Bei Kleinhirn-Infarkten, die Lobulus VI und VII des Vermis betreffen findet sich eine Sakkadenhypometrie und eine gestörte Blickfolge, aber kein Defizit der Vergenzbewegungen. Infarkte, die die medial gelegenen Kleinhirnkerne betreffen, führen zu Beeinträchtigung der konjugierten Augenbewegungen (Sakkaden, Blickfolgebewegungen) und der Vergenzbewegungen. Hingegen führen Infarkte, die die lateral gelegenen Kleinhirnkerne betreffen, zu keiner wesentlichen Augenbewegungsstörung.

Diese Befunde zeigen erstmals, dass (1.) das Kleinhirn an der Kontrolle von Vergenzbewegungen beteiligt ist, (2.) konjugierte und diskonjugierte Augenbewegungen an anatomisch unterschiedlichen Lokalisation im Kleinhirn kodiert werden.