Aktuelle Neurologie 2005; 32 - P293
DOI: 10.1055/s-2005-919327

Persitierender Schwindel nach Neuritis vestibularis (VN) und benignem paroxysmalen Lagerungsschwindel (BPPV): Häufigkeit und Ursachen

M Mielczarek 1, C Moschner 1, C Edler 1, S Eskens 1, N Heinrichs 1, K Wessel 1
  • 1Braunschweig

Einleitung: VN und BPPV sind die häufigsten organischen Ursachen eines isolierten akuten Drehschwindels. Beide Erkrankungen sind bei geeigneter Therapie heilbar bzw. funktionell kompensierbar, so dass keine andauernden Schwindelbeschwerden resultieren sollten. Dennoch wird dieser von einigen Patienten beklagt, wobei eine Persistenz bzw. ein Rezidiv der organischen Störung aber auch psychodynamischen Prozesse diskutiert werden. Wir untersuchten in einer prospektiven Follow up – Studie die Häufigkeit und Ursachen für die Schwindelpersistenz.

Methode: 51 stationäre Patienten mit einer akuten sicheren Diagnose VN oder BPPV wurden bei Aufnahme (PRÄ) nicht nur klinisch (inkl. quantitativer Kalorik und Lagerungsproben) sondern auch mit cMRT, AEP u.a. zur Erfassung einer Komorbidität untersucht. Zudem wurde mit einer Batterie validierter Fragebögen und einem diagnostischen Interview (DIPS) die Lebenszeit-, Punktprävalenz und Ausprägung psychischer Störungen erfasst. Bei 43 Patienten (VN: 24; BPPV: 19) konnten diese Daten nach 3 Monaten (POST) nochmals erhoben werden.

Ergebnisse: Zum PRÄ-Zeitpunkt war die Gesamtprävalenz psychischer Störungen für alle Patienten mit 54% erhöht. Davon hatten 37% zum Aufnahmezeitpunkt noch eine akute Störung, wobei hier die Angststörungen mit 81% dominierten, akute Depressionen hingegen nicht häufiger waren als in der Durchschnittsbevölkerung.

30% der Pat. beklagten auch nach 3 Monaten (POST) noch Schwindel. Davon hatten 10,5% der nach untersuchten BPPV-Patienten einen anhaltenden BPPV mit positiver Lagerungsprobe, 8,3% der nach untersuchten VN-Pat. hatten weiterhin eine pathologische Kalorik mit fehlender funktioneller Kompensation. Die Mehrheit der Patienten mit anhaltenden Beschwerden erfüllte jedoch die Kriterien eines psychogenen (dissoziativen) Schwindels mit zumeist unsystematischem Schwankschwindel, entsprechend 32% der ursprünglichen BPPV- und 12,5% der VN-Patienten.

Acht von diesen 9 Patienten erfüllten in der POST-Untersuchung auch die DIPS-Kriterien für eine psychische Störung. Bei diesen Patienten fiel schon in der PRÄ-Untersuchung ein auffallend höherer Wert im Body Sensations Questionaire (BSQ) auf, einem Fragebogen mit Bezug auf Ängsten für spezifische körperliche Symptome, so dass der BSQ einen prädiktiven Wert haben könnte.

Diskussion: Die doch recht häufig persistierenden subjektiven Schwindelbeschwerden bei VN oder BPPV gehen zumeist nicht auf eine anhaltende messbare Funktionsstörung im peripheren Vestibularorgan zurück, sondern häufiger auf eine besondere psychosomatische Krankheitsverarbeitung. Hierbei ist in diagnostischer und therapeutischer Hinsicht ein besonderes Augenmerk auf die überdurchschnittlich häufig schon bei Erkrankungsbeginn nachweisbaren psychischen Störungen, insbesondere Angststörungen, zu legen.