Aktuelle Neurologie 2005; 32 - P395
DOI: 10.1055/s-2005-919429

Sepsis-assoziierte ausgeprägte reversible Leukoenzephalopathie bei chronischer Alkoholabhängigkeit

H Roick 1, M Köhler 1, F Schmid 1, H Riesterer 1, R.W Brüderl 1
  • 1Villingen-Schwenningen

Eine 44 jährige chronisch alkoholkranke Frau wurde mit abdominellen Schmerzen unklarer Genese aufgenommen. Im Labor fanden sich Zeichen einer alkoholischen Hepatitis.

Am dritten Tag nach der Aufnahme trat ein mildes Entzugsdelir auf. Am Morgen des vierten Tages progrediente Eintrübung, einmalig massives Erbrechen mit fraglicher Aspiration. Anschließend rasche Entwicklung einer respiratorischen Insuffizienz, die Patientin musste intubiert und mit dem Bild einer ausgeprägten Sepsis mit Multiorganversagen und Schocklunge über 1 Woche intensivmedizinisch behandelt werden.

Nach komplikationsloser Extubation bestand klinisch weiterhin ein hirnorganisches Psychosyndrom. Einen Tag später erlitt die Patientin einen sekundär generalisierten tonisch-klonischen Anfall und musste erneut intubiert werden.

In der hierauf durchgeführten MR-Tomographie [MRT] fand sich eine eindrucksvolle symmetrische von occipital bis frontal reichende Leukoenzephalopathie mit Signalminderung in der Diffusionswichtung, gleichartige Veränderungen fanden sich zentral in den Kleinhirnhemisphären. Keine Beteiligung des Corpus callosum.

Wir begannen hierauf eine hochdosierte Thiamin-Behandlung.

Klinisch zeigte sich nach erneuter Extubation initial ein stuporös-mutistisches Psychosyndrom mit ausgeprägter spastischer Tetraparese, epileptische Anfälle traten im Verlauf nicht mehr auf.

Unter der Thiamin-Behandlung kam es binnen 5 Tagen zu einer Vollremission der neurologischen Symptomatik, parallel zeigte die Leukoenzephalopathie im MRT eine Rückbildungstendenz.

Die Ätiologie dieser sepsis-assoziierten reversiblen Leukoenzephalopathie blieb letztendlich unklar.

Für eine differentialdiagnostisch zu diskutierende reversible posteriore Leukoenzephalopathie war der Befund im MRT ungewöhnlich ausgedehnt und untypisch lokalisiert.

Reversible leukoenzephalopathische Veränderungen im MRT sind in Zusammenhang mit chronischer Alkoholkrankheit beschrieben, z.B. bei dem Marchiafava-Bignami Syndrom oder der Wernicke-Enzephalopathie, zeigen aber ein vom vorliegenden Befund abweichendes Verteilungsmuster.