Aktuelle Neurologie 2005; 32 - P396
DOI: 10.1055/s-2005-919430

Hämorrhagische Enzephalitis beim Miller Fisher Syndrom?

U Becker 1, G Gahn 1, R von Kummer 1, B Herting 1
  • 1Dresden

Anhand einer Kasuistik möchten wir zeigen, dass im Einzelfall die Abgrenzung vom Miller-Fisher-Syndroms (MFS) zur Wernicke-Enzephalopathie (WE) schwierig sein kann. Bei beiden Erkrankungen können ähnliche zentrale Störungen vorkommen.

Kasuistik: Der Patient wachte morgens mit Nackenschmerzen, Schwindel und Fallneigung auf. Bei Aufnahme waren eine Tachykardie und ein „Foetor alcoholicus ex ore“ auffällig. Er war zerfahren und psychomotorisch agitiert. An den Hirnnerven waren eine internukleäre Ophtalmoplegie beidseits und eine Hypästhesie am linken Mundwinkel auffällig. Paresen bestanden nicht. Der Muskeltonus war normal, die Muskeleigenreflexe waren seitengleich mittellebhaft (der Achillessehnenreflex beidseits schwach) auslösbar, Pyramidenbahnzeichen fanden sich nicht. An sensiblen Defiziten bestanden eine Hypästhesie der gesamten linken Hand und des linken Unterschenkels sowie eine beidseitige Pallhypästhesie (4/8 am Malleolus medialis). Die Koordinationsprüfung zeigteeine deutliche zerebelläre Rumpf-, Stand,- Gang- und Extremitätenataxie, so dass Sitzen, Stehen und Gehen nur mithilfe möglich waren. Bei Alkoholanamnese, Psychosyndrom, Okulomotorikstörung und Ataxie wurde die Diagnose WE gestellt und mit Vitamin B1 behandelt unter dieser Therapie war die Ataxie zunehmend, weswegen zur Abgrenzung einer ZNS Entzündung ein MRT und eine Lumbaklpunktion erfolgte. Die MRT zeigte akute Ponsläsionen im Liquor waren Siderophagen nachweisbar. Beide Veränderungen waren mit eine hämorrhagischen Enzephalitis bei WE vereinbar, weswegen die Therapie fortgeführt wurde. An Tag 6 war nun eine Areflexie nachweisbar, so dass klinisch jetzt ein MFS bestand. Die Diagnose wurde durch die Elektrophysiologie und durch Anti GQ1b AK Nachweis bestätigt. Rückwirkend war ein Vit B1-Mangel im Aufnahmelabor ausgeschlossen worden. Die Therapie wurde auf IVIg umgestellt und die Symptome rasch rückläufig.

Schlussfolgerung: Es ist bekannt, dass die Unterscheidung WE/MFS klinisch schwierig ist. Oft ist erst der Verlauf wegweisend, da die für das MFS obligate Areflexie häufig erst an Tag 4–6 nachweisbar ist. Bei beiden Erkrankungen sind zentrale Läsionen beschrieben. Die Veränderungen im Liquor und im MRT bei unserem Patienten mit MFS ähneln denen bei WE. Ob es sich dabei tatsächlich auch um eine hämorrhagische Enzephalitis handelt, bleibt unklar.