Aktuelle Neurologie 2005; 32 - P601
DOI: 10.1055/s-2005-919632

Veränderung der emotionalen Reaktion bei Patienten mit amyotropher Lateralsklerose? Hinweise aus einer fMRT-Studie

D Lulé 1, V Diekmann 1, S Anders 1, J Kassubek 1, N Birbaumer 1, A.C Ludolph 1
  • 1Ulm, Tübingen; Trento, I

Fragestellung: Die Untersuchung kortikaler Aktivierungsmuster soll Aufschluss darüber geben, ob sich bei progredienter Deeferenzierung mit einhergehender Bewegungsunfähigkeit das emotionale Erleben von Patienten mit neurodegenerativen Erkrankungen verändert. In dieser Studie wurde mithilfe funktioneller Kernspintomographie (fMRT) die Reaktion von Patienten mit amyotropher Lateralsklerose (ALS) auf visuelle emotionale Stimuli untersucht. Diese Stimuli variierten bezüglich ihres emotionalen Inhaltes (Kategorien Valenz und Arousal) als auch in der Stärke der dargestellten Bewegung.

Methoden: 13 ALS Patienten und 15 gesunde Kontrollen wurden je 60 visuelle emotionale Stimuli aus dem International Affective Picture System über eine Videobrille für 2.82 Sekunden präsentiert. Die visuellen Stimuli zeigten Personen in verschiedenen emotionalen Situationen des Alltags. Als Maß für die stimulusinduzierte Veränderung der Gehirnaktivität wurde der BOLD-Effekt mit einem 1,5 Tesla MRT-Gerät (Symphony, Siemens) gemessen. Die funktionellen Daten wurden mit SPM2 (Statistical Parametric Mapping, Wellcome Department of Imaging Neuroscience, London, UK) ausgewertet.

Ergebnisse: Neben den für visuelle emotionale Stimulation typischen Arealen, zeigten ALS-Patienten im Vergleich zu gesunden Kontrollen im sensiblen Motorkortex (BA2) eine bessere Korrelation zwischen dargestellter Bewegung im Bild und Aktivierung. In Abhängigkeit von der Valenzstärke im Bild zeigten Probanden im Vergleich zu ALS-Patienten eine zeitlich schnellere BOLD-Antwort in inferior temporalen Regionen und in der Inselregion.

Schlussfolgerung: Die funktionellen Daten zeigen, dass ALS-Patienten im Vergleich zu gesunden Kontrollpersonen während der Betrachtung von emotionalen Stimuli abhängig von der dargestellten Bewegung eine stärkere Aktivierung in Arealen aufweisen, die für die Kontrolle von Körperbewegungen zuständig sind. Dies könnte ein Ausdruck dafür sein, dass sich bei ALS-Patienten aufgrund der progredienten Bewegungseinschränkung deren subjektive Assoziation für Körperbewegungen erhöht.

Dass ALS-Patienten abhängig von der Valenzstärke eines Bildes langsamer reagieren als gesunde Kontrollen, gibt einen Hinweis darauf, dass die Reaktionsgeschwindigkeit bei den Patienten weniger stark durch angenehme als auch durch unangenehme Bildinhalte moduliert wird.