Einleitung:
Ende der 70-er Jahre in den USA wurden erstmals die typischen Entwicklungen von Angehörigen
in Familien beschreiben, in denen die Abhängigkeit psychoaktiven Substanzen eine Rolle
spielt. Die Mitbetroffenheit der Angehörigen wird dementsprechend als co-dependancy
oder Co-Abhängigkeit genannt. Co-abhängiges Verhalten hat zwei Seiten: so unterstützt
es einerseits die Sucht, macht ihre Entwicklung oder weitere Entwicklung erst möglich,
andererseits leiden die Betroffenen auch selbst unter dem Verhalten des suchtkranken
Menschen sowie ihren Versuchen, sich daran anzupassen, denn dabei erfahren sie Störungen
und Beeinträchtigungen in verschiedenen Bereichen ihres Lebens und ihrer Persönlichkeit.
Aufgrund der klinischen Erfahrungen sind die einzelnen Therapeuten als auch die Teams,
die suchtkranke Patienten behandeln, bemüht, den Behandlungsablauf so zu gestallten,
dass das Verhalten der Abhängigen mit ihren pathogenethischen Elementen wie z.B. Verleugnung
oder Grenzüberschreitung therapeutisch bearbeitet werden kann. Somit unterliegen auch
Therapeuten in der Interaktion der Möglichkeit eines co-abhängigen Verhaltens. In
der ersten empirischen Studie von Martsolf (1998) wurden die bisher bekannten Elemente
des co-abhängigen Verhaltens in einem Selbstbeurteilungsbogen für Therapeuten zusammengefasst
und somit auch der statistischen Beurteilung zugänglich gemacht. Für den deutschen
Sprachraum fehlen derartige Studien.
Methodik und Probanden:
Für unsere Untersuchung wurde der Fragenbogen (Codependency Assessment Tool, CODAT;
nach Huges-Hammer & Martsolf 1998) von uns übersetzt und modifiziert. Der Fragebogen
besteht aus fünf Subskalen: Focus auf Andere/Selbst-Vernachlässigung, Selbstwert,
Fassade des Helfers, Gesundheitsprobleme und Herkunftsfamilie.
Er wurde an drei unabhängigen Gruppen (Therapeuten, Kontroll-Gruppe und Angehörigen
von Suchtpatienten) angewendet.
Ergebnisse:
In der Therapeuten-Gruppe (N=74) war die Anzahl der Männer und Frauen annähernd gleich.
Die Berufsgruppen sind mit: 40,5% Ärzte, 33,8% Pflegepersonal, 20,3% Sozialpädagogen
und 4,1% Psychologen unterschiedlich vertreten. Die meisten Suchttherapeuten waren
im stationären Bereich tätig (63,5%) gefolgt vom ambulanten Einrichtungen (20,3%).
25,7% in der Therapeuten-Gruppe hatten selber, oder ihren Angehörigen Suchtprobleme,
17,6% wurden psychiatrisch/psychotherapeutisch vorbehandelt.
Die Auswertung des Summenscores ergab, dass 12,3% der Therapeuten „kein“, 80,7% „minimales“
und 7% „deutliches“ cobhängiges Verhalten zeigt, was mit den Ergebnissen von Martsolf
vergleichbar ist. Im Summenscore fanden sich keine Unterschiede zwischen den Geschlechtern.
In den Berufsgruppen erreichte die Arzt-Gruppe nicht signifikant höhere Werte in den
Subskalen: Selbstwert und Fassade des Helfers. Derzeit erfolgt die Erhebung in der
Kontroll- und Angehörigen-Gruppe.
Literatur:
Martsolf D.S. et al. „Codependency in Male and Female Helping Professionals“ Archives
of Psychiatric Nursing, Vol. XIII No. 2(April), 1999 pp 97–103
Hughes-Hammer c. et al. „Development and Testing of the Codependency Assessment Tool“.
Archives of psychiatric Nursing, Vol.XII, No. 5 1998: pp 264–272