Viszeralchirurgie 2006; 41(1): 74-78
DOI: 10.1055/s-2006-921351
Das viszeralchirurgische Prüfungsgespräch

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Enterale und parenterale Ernährung

Clinical NutritionE. Muhl1
  • 1Klinik für Chirurgie, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck
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Publication Date:
03 February 2006 (online)

Bei Patienten vor großen viszeralchirurgischen Operationen ist eine Malnutrition nicht selten. Welche anamnestischen, klinischen und laborchemischen Untersuchungen können den Tatbestand der Malnutrition klären?

Mangelernährung kann bedingt sein durch verminderte Nahrungszufuhr, vermehrte Verluste oder einem erhöhten Verbrauch. Die Ursachen können kombiniert sein. Vermehrte Verluste von Nährstoffen treten auf bei Malabsorptionssyndromen, Kurzdarmsyndrom, chronischen Durchfällen; Verlusten aus Fisteln, Sonden und Stomata, bei renalen Verlusten durch Proteinurie. Ein erhöhter Verbrauch kann z. B. verursacht sein durch Stress oder Sport und führt bei nicht adäquater Nahrungszufuhr ggfs. auch zur Mangelernährung. Patienten mit chronischem Alkohol- und Drogenabusus, Depression oder Anorexie sind oft mangelernährt. Antineoplastische Chemotherapie und Radiatio, sowie Tumorerkrankungen mit Gewichtsverlust beeinflussen den Ernährungsstatus. Mangelernährung führt zu vermehrten Komplikationen wie Infektionen, Dekubitalgeschwüren und geht mit einer erhöhten Mortalität einher. Bei einer ungewollten Gewichtsabnahme von 10 % in 3 Monaten ist von einer schweren Mangelernährung auszugehen [11].

Der Bodymass-Index (BMI, definiert durch die Formel Körpergewicht in kg/Körpergröße in cm2) ist der Standardparameter für die Definition von Über- und Untergewicht. Bei einem BMI von unter 16 kg/m2 besteht eine schwere Malnutrition. Andere anthropometrische Methoden zur Erfassung des Ernährungszustandes wie Trizepshautfaltendicke und Bioimpedanzmessungen zur Erfassung der Körperzusammensetzung sind für die Klinik eher nicht relevant. Indirekte Kalorimetrie, Stickstoffbilanz und Harnstoffproduktionsrate sind speziellen Fragestellungen vorbehalten.

Blutglukosespiegel unter 50 mg% können ein Hinweis sein auf langanhaltende Mangelernährung oder einen Hyperinsulinismus und bedürfen einer weiteren Abklärung. Trigyzeridwerte unter 50 mg/dl zeigen eine längere Nahrungskarenz an.

Das Serumalbumin ist ein valider, einfach und kostengünstig zu ermittelnder Parameter zur Beurteilung des Ernährungszustandes, der direkt mit der Infektionsgefährdung des Patienten korreliert (Normwert 30-35 g/Liter) [5] [9].

Kurzlebige Plasmaproteine mit kurzer Halbwertszeit (Präalbumin, Transferrin, retinolbindendes Protein, Cholinesterase) zeigen bei Mangelernährung einen Abfall, stehen aber meist nicht im Routinelabor zur Verfügung [32].

Welche Bedeutung hat die Malnutrition für die Operationsvorbereitung und die Risikoabschätzung?

Mangelernährung geht mit verlängerter Krankenhausverweildauer und höheren Kosten einher - und dies umso mehr, je mehr Risikofaktoren der Patient mitbringt [8]. Daher ist eine präoperative Diagnosestellung von Bedeutung. Darüber hinaus ist für Patienten mit Malnutrition die klinische Ernährungstherapie mit einem gesicherten Benefit verbunden [12]. Proteinmangel ist mit einem zum Ausmaß der Störung proportional erhöhten Risiko für Infektionen korreliert [5] [9]. Da der mangelernährte Patient eine erhöhte Morbidität und Mortalität aufweist [28], ist bei geplanten elektiven Eingriffen eine präoperative Ernährungstherapie sinnvoll.

Wann ist eine enterale Ernährung kontraindiziert?

Bei Ileus, akuter gastrointestinaler Blutung und akuter Peritonitis, bei nicht beherrschbarem Erbrechen, bei Kreislaufinstabilität und bei akuter metabolischer Entgleisung ist eine enterale Ernährung kontraindiziert [23]. Bei schwerer nekrotisierender Pankreatits wird von einigen Autoren eine enterale Ernährung empfohlen, wobei ein früher Beginn innerhalb 48 Stunden angestrebt wird. Die Anzahl infektiöser Komplikationen scheint dadurch vermindert werden zu können [16].

Die frühe postoperative enterale Ernährung, auch nach großen Eingriffen am Gastrointestinaltrakt, setzt sich zunehmend durch. Stellen Sie die Vorteile der enteralen Ernährung (im Vergleich zur parenteralen Ernährung) dar und nennen Sie Indikationen zur Sondenernährung.

Nach den Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin DGEM aus dem Jahre 2003 für die Intensivmedizin und die Chirurgie sollten Patienten unabhängig von ihrem Ernährungszustand immer dann eine enterale Sondenernährung erhalten, wenn sie innerhalb von 7 Tagen sich nicht oral ernähren können. Ist die enterale Ernährung nicht innerhalb von 7 Tagen bedarfsdeckend, sollte zusätzlich parenteral ernährt werden. Bei kritisch kranken Patienten ist die frühe enterale Ernährung einer hypokalorischen oralen Nahrungszufuhr und auch einer erst später begonnenen enteralen Ernährung überlegen [6] [7]. Eine aktuelle Meta-Analyse aus dem Jahr 2005 kommt beim Vergleich von parenteraler zu enteraler Ernährung zu dem Schluss, dass mit parenteraler Ernährung die Mortalität reduziert ist. Dies gilt allerdings nur, wenn nicht innerhalb von 24 Stunden nach Aufnahme auf die Intensivstation mit der enteralen Ernährung begonnen werden kann [27].

Die erhöhte Inzidenz infektiöser Komplikationen unter total parenteraler Ernährung (TPE) ist mit hoher Evidenz belegt [13]. Die frühe enterale Ernährung begünstigt ein rascheres Einsetzen der Peristaltik und der Darmpassage, bei laparoskopischer Chirurgie eher als bei konventioneller Chirurgie [7]. Die Zahl postoperativer Komplikationen und die Krankenhausverweildauer sind bei Patienten mit enteraler Ernährung reduziert [3] [20].

Was versteht man unter Fast-track-Surgery?

Der Begriff ist geprägt durch die Kolon-Chirurgie mit früher enteraler Ernährung. Es handelt sich jedoch nicht um ein reines Ernährungskonzept. Es beinhaltet neben der frühzeitigen enteralen Ernährung und einem möglichst minimalinvasivem Eingriff eine adäquate Schmerztherapie, sowie die frühzeitige und nachhaltige Mobilisierung der Patienten nach dem operativen Eingriff. Eine deutliche Verkürzung der Krankenhausverweildauer lässt sich erreichen bei gleich bleibender oder möglicherweise sogar niedrigerer Komplikationsrate [26].

Ist bei Operationen insbesondere am Gastrointestinaltrakt mit Anastomosen zur Wiederherstellung der Passage eine postoperative Nahrungskarenz erforderlich?

Generell ist eine Unterbrechung der enteralen Nahrungsaufnahme nicht erforderlich. Wenn nach der Narkose die Schutzreflexe wieder vorhanden sind, kann enteral ernährt werden. Bei Anastomosen am oberen Gastrointestinaltrakt hat sich die frühzeitige enterale Ernährung über eine distal der Anastomose platzierte Sonde in zahlreichen kontrollierten Studien als praktikabel und sinnvoll erwiesen [3] [7].

Für die Ernährung mit Sondenkost stehen eine Vielzahl von unterschiedlich zusammengesetzten Produkten zur Verfügung. Welche Einteilungen für Sondenernährung gibt es und was sind ihre speziellen Indikationen?

Grundsätzlich werden Nährstoff-definierte Sondenformulierungen von chemisch definierten unterschieden. Oligopeptid-Diäten haben ihr Indikationsfeld bei Patienten mit Malabsorptionssyndromen, beim Kurzdarmsyndrom in der Frühphase und bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen. Bei Obstipation und Sigmadivertikulose ist eher eine ballaststoffreiche, bei Stenosen im Intestinaltrakt eher ballaststoffarme Sondenkost zu wählen. Sondennahrungen für terminal niereninsuffiziente Patienten haben im Verleich zu anderen Sondennahrungen eine doppelt hohe Energiedichte (meist 2 kcal/ml). Darüber hinaus sind in diesen Spezialnahrungen Natrium, Kalium und Phosphat, sowie auch fettlösliche Vitamine reduziert [33]. Spezielle Sondennahrungen für Diabetiker sind nicht zwingend erforderlich und werden von vielen Herstellern auch nicht mehr angeboten. Es muss bei Diabetikern lediglich die Insulinzufuhr an die Menge der zugeführten Kohlehydrate angepasst werden. Für Diabetiker sind Spezial-Sondennahrungen im Handel, bei denen die Fett-Kohlehydrat-Relation zugunsten des Fettes verschoben ist. Laktose und Gluten sind in den meisten Sondenformulierungen nicht enthalten.

Wenn eine total vollkalorische oder hochkalorische parenterale Ernährung erforderlich ist: welche Bestandteile sollte Sie enthalten und in welcher Dosierung?

Als Energieträger dienen Zucker und Fett, wobei den Fettsäuren auch andere Funktionen zukommen als u. a. Botenstoffe, als Präkursoren biologisch wichtiger Substanzen und als Bausteine der Zellmembran. Die Kalorien aus Fett und Kohlehydraten sollten im Verhältnis 1 : 2 bis 1 : 4 stehen. Harte Daten aus kontrollierten Studien mit Endpunkten wie Mortalität oder Morbidität gibt es für die Fett-/KH-Relation nicht. Die Maximaldosierung von Glukose beträgt 6 g/kg KG/Tag (für Xylit 3 g/kg KG/Tag). Xylit wird zu 80 % insulinunabhängig hepatisch verwertet und es bewirkt eine nicht immer erwünschte osmotische Diurese. Leberinsuffizienz ist eine Kontraindikation für die Anwendung. Die Bildung von Oxalatsteinen, nicht nur in der Niere ist beschrieben. Viele Kliniken verzichten aus diesen Gründen gänzlich auf Xylit in der parenteralen Ernährung. Die Maximaldosis für Fett liegt bei 2 g/kg KG/Tag.

Der Energie- und Aminosäuren(AS)bedarf ist für postoperative Patienten unterschiedlich entsprechend dem Ausmaß von Trauma, Sepsis, metabolischem Stress und Katabolie. Zur Deckung des Energiebedarfs sind ca. 25 kcal/kg KG/Tag nötig. Der Aminosäurenbedarf liegt bei 1,2 bis 1,5 g/kg KG/Tag. Eine Maximaldosierung von 2 g/kg KG sollte nicht überschritten werden. Bei kontinuierlicher Nierenersatztherapie mit Hämofiltration oder Hämodiafiltration ist die zusätzliche Gabe von 0,2 g AS/kg KG/Tag zu empfehlen [2]. Bei Patienten mit fortgeschrittener chronischer Niereninsuffizienz ohne Dialyse und ohne Hämofiltration wird eine Reduktion der Proteinzufuhr empfohlen, was den Progress der Niereninsuffizienz verlangsamt [17].

Elektrolyte, Spurenelemente und Vitamine sollten bei normokalorischer parenteraler Ernährung immer zugeführt werden.

Wann sind an Organversagen adaptierte Aminosäurelösungen in der total parenteralen Ernährung unverzichtbar?

Eine Therapie mit besonderen AS-Gemischen, die vermehrt verzweigtkettige AS enthalten, ist nur bei der akuten hepatischen Enzephalopathie und beim fulminanten hepatischen Versagen mit Koma indiziert (Dosierung 1 g AS/kg KG/Tag ) [21] [22] [24].

Für Patienten mit terminaler Niereninsuffizienz unter Dialyse und total parenteraler Ernährung gibt es spezielle „Nephro”AS-Lösungen, mit adaptierten Anteilen von essenziellen und nichtessenziellen AS. Ihr Einsatz ist umstritten, Daten aus Studien mit harten Endpunkten wie Morbidität und Mortalität fehlen. Am ehesten kommen diese Lösungen infrage für Patienten mit TPE und chronischer terminaler Niereninsuffizienz.

Was versteht man unter Immunonutrition?

Immunonutrition meint die Supplementierung der Ernährung mit immunmodulatorisch wirksamen Substraten. Subsumiert werden hierunter Substanzen wie Arginin, Omega-3-Fettsäuren Glutamin, Taurin, Glyzin, Nukleotide. Den vielen positiven Ergebnissen aus tierexperimentellen Studien und hoffnungsvollen Ergebnissen auch in einzelnen klinischen Studien steht eine noch unklare Datenlage bei Patienten (und noch mehr bei kritisch kranken Patienten) gegenüber. Die Literatur weist immerhin einen Trend zugunsten der Immunonutrition aus mit einer geringeren Krankenhausverweildauer und verminderter Morbidität, jedoch ohne Einfluss auf die Mortalität [1] [18] [19].

Welche wichtigen Komplikationen parenteraler Ernährung kennen Sie und wie sind sie zu minimieren?

Bei den katheterassoziierten Komplikationen sind zu unterscheiden die möglichen Komplikationen beim Legen des zentralen Venenkatheters (Pneumothorax, arterielle Punktion, Fehllage, Gefäßperforation, Herzrhythmusstörungen) von Komplikationen im Verlauf wie Katheterokklusion, Katheterthrombose, Katheterinfektion und Kathetersepsis. Sterile Arbeitsweise beim Legen der Katheter, bei jeder Kathetermanipulation und adäquate Pflege der Kathetereintrittstelle sind unabdingbar. Gute Ausbildung des Personals, das Katheter legt und mit ihnen umgeht, standardisierte Vorgehensweisen und hygienische Qualitätskontrollen können die Komplikationen minimieren [4] [25].

Bei den metabolischen Komplikationen der parenteralen Ernährung stehen die Blutzuckerentgleisung und Hypercholesterinämie/Hypertriglyzeridämie, gemeinsam mit Elektrolytstörungen im Vordergrund. Engmaschige Laborkontrollen von Serumelektrolyten und Blutzucker, der zwischen 80 und 110 mg% gehalten werden sollte, sind nötig. Eine intensivierte Insulintherapie auf die vorgenannten Blutzuckerwerte hat sich als überlebensrelevant für Intensivpatienten erwiesen [31]. Die häufigsten hepatobiliären Schäden durch parenterale Ernährung sind Steatosis hepatis, Sludge in der Gallenblase und im Gefolge Cholezystitis, Gallenblasenhydrops und Cholezystolithiasis. Zu vermeiden sind sie weitestgehend durch die Vermeidung zu hoher Kalorien- und Zuckerzufuhr, Vermeidung zu hoher Blutzuckerspiegel und zusätzliche enterale Ernährung, auch wenn nur ein Teil des Kalorienbedarfs hierdurch gedeckt werden kann. Bei Patienten mit Malnutrition ist ein aggressiver und schneller Ausgleich der Mangelernährung zu vermeiden (so genanntes Re-Feeding-Syndrom). Die relative Glukoseüberladung führt zu zwar zu einer höheren zellulären Glukoseaufnahme und Steigerung der Proteinsynthese, aber auch zu einer vermehrten zellulären Aufnahme von K+, Mg+ und PO4 2- , die dann im Serum stark vermindert sein können mit deletären Folgen. Mangelzustände bei Vitaminen und Spurenelmenten kommen vor allem bei langzeitiger parenteraler Ernährung vor [29]. Hyperglykämie und Re-Feeding-Syndrom können auch bei enteraler Ernährung vorkommen.

Gastrointestinale Komplikationen der total parenteralen Ernährung wie Gastroparese und eine Störung der gastrointestinalen Barrierefunktion mit Bakterientranslokation aus dem Darm werden bei auch nur partieller enteraler Ernährung seltener beobachtet.

Was versteht man unter Postaggressionsstoffwechsel und wie kann eine postoperative parenterale Ernährung daran angepasst werden?

Als Postaggressionsstoffwechsel bezeichnet man eine katabole Stoffwechsellage nach Trauma oder Operation, die gekennzeichnet ist durch periphere Insulinresistenz und Glukoseverwertungsstörung mit Hyperglykämie, gesteigerte Glykolyse, Glykogenolyse, Proteolyse, gesteigerte Glukoneogenese und Lipolyse. Schon die Glukoneogenese allein kann eine Hyperglykämie bewirken. Begegnet wird dieser Situation mit hypokalorischen Ernährungskonzepten in den ersten drei bis vier Tagen nach Trauma oder Operation. Bei der hypokalorischen postoperativen Ernährung erfolgt die Zufuhr der durch die Glukoneogenese verbrauchten AS (etwa 1,2-1,5 g/kgKG/Tag) in Kombination mit geringen Glukosemengen (ca. 150 g Glukose/Tag für einen normalgewichtigen Erwachsenen). Eine Kontrolle des Blutzuckers und Einstellung auf Normalwerte ist auch während der hypokalorischen Ernährung erforderlich. Die Katabolie kann durch kein Ernährungskonzept durchbrochen werden, aber die negative Stickstoffbilanz lässt sich minimieren [2].

Welches sind die häufigsten gastointestinalen Komplikationen der enteralen Ernährung und wie wären sie zu behandeln?

Die häufigste gastrointestinale Komplikation unter enteraler Sondenernährung ist die Diarrhö. Die Ursachen hierfür sind vielfältig: Osmotisch bedingte Durchfälle durch zu hochosmolare Sondenformulierungen gibt es eher selten. Wurde die Sondenernährung zu schnell gesteigert, kann dies Durchfälle auslösen. Eine Reduktion der applizierten Sondenmenge pro Stunde kann Abhilfe schaffen. Oft bessert sich die Symptomatik auch dann, wenn eine ballaststoffhaltige Sondennahrung gegeben wird. Auch an eine Laktoseintoleranz ist bei Durchfällen unter Sondenkost zu denken, falls die Diät Laktose enthielt. Sehr häufig ist das Symptom „Diarrhö” aber multifaktoriell bedingt bei Patienten mit Sondennahrung: bakterielle Kontamination von Sondenkost, Antibiotika-assoziierte Kolitis und diarrhöinduzierende Medikamente wie z. B. Laktulose, Antibiotika, Prokinetika u. v. m. können ursächlich sein. Geschlossene Systeme für die Sondenapplikation können das Infektionsrisiko mindern. Führt die Reduktion der applizierten Sondenkostmenge pro Stunde und die Gabe von Ballaststoffen nicht zum Sistieren der Diarrhö, sollten Antidiarrhoika gegeben werden, z. B. Tinctura opii oder Loperamid.

Weitere bedeutsame Komplikationen sind Erbrechen und Aspiration von Mageninhalt. Die Sonde sollte tief im Magen liegen und bei gastro-ösophagealem Reflux sogar jejunal. Oberkörperhochlagerung kann das Risiko mindern, ebenso wie die Gabe von Prokinetika. Bei besonders aspirationsgefährdeten Patienten (sediert, bewusstseingestört, gestörter Hustenreflex) sollte eine jejunale Sondenlage erreicht werden. Durch regelmäßge Kontrollen der Restmengen im Magen (Absaugen über die Sonde) kann das Aspirationsrisiko durch z. B. durch unvollständige Magenentleerung schnell erkannt werden [14].

Welche Zugangswege erlauben möglicherweise auch eine enterale Sondenernährung beim beatmeten Intensivstationspatienten mit Magensondenreflux/Gastroparese und/oder fehlenden Schutzreflexen?

Eine jejunaler Lage der Ernährungssonde bei gleichzeitiger Entlastung des Magens erfüllt diese Voraussetzungen. Zu realisieren wäre dies mit einer Mehrlumensonde, deren Ende jejunal platziert wird (z. B. endoskopisch) und deren zweites Lumen im Magen endet als Ablauf. Eine Feinnadelkatheterjejunostomie oder endoskopische perkutane Jejunostomie würde ebenfalls diesen Zweck erfüllen, wenn gleichzeitig mit einer Magensonde der Abfluss der Magensekrete bewerkstelligt wird. Letztere haben ihre Indikation vor allem bei großen viszeralchirurgischen Eingriffen im Oberbauch (z. B. Ösophagusresektion, Gastrektomie), bei Anastomoseninsuffizienz nach solchen Eingriffen, Magenhochzug, nach iatrogener Ösophagusperforation und bei ösophagotrachealen Fisteln [30].

Was ist bei der Gabe von Medikamenten via Magensonde oder jejunaler Ernährungssonde zu beachten?

Physikalische Inkompatibilitäten entstehen z. B., wenn stark saure Arzneimittel oder Arzneimittellösungen zugesetzt werden, die zur Verklumpung der Sondennahrung führen. Bei Fettemulsionen i. v. kann es bei Inkompatibilitätsreaktionen zur Phasentrennung kommen und dann ohne Fettfilter im Infusionssystem (1,2 µ-Filter) zu Fettembolien führen. Autooxidation von Aminosäuren sind bekannt z. B. durch Vitamin- und Spurenelementlösungen. Es gibt Ausfällungen von schwer löslichen Salzen bei Gabe von Kalzium und anderen mehrwertigen Kationen mit karbonat-, sulfat- und phosphathaltigen Lösungen. Diskrete Ausfällungen aus Zucker/-Aminosäurelösungen bei parenteraler Ernährung werden durch 0,2 µ-Filter zurückgehalten. Es gibt vielfältige weitere Interaktionen, so dass bei nicht ausdrücklich vom Hersteller angegebener Kompatibilität von einer Interaktion ausgegangen werden muss. Es sind vor Mischung mit Lösungen Informationen über die Kompatibilität mit Medikamenten einzuholen. Gründliches Spülen der Sonde vor und nach Medikamentengabe sollte selbstverständlich sein [15].

Bei der enteralen Gabe ist zu bedenken, dass Filmtabletten, magensaftresistente Kapseln oder Retardpräparate für Zerkleinerung und Sondenapplikation grundsätzlich nicht geeignet sind. Auch Veränderungen der Pharmakokinetik von Medikamenten durch Bestandteile der Sondenkost sind bekannt. Für viele Medikamente ist die Kompatibilität mit Sondennahrungen gar nicht untersucht. Falls keine positiven Daten vorliegen über eine Kompatibilität, sollte der Patient entweder das Medikament neben der Ernährungssonde schlucken oder - wenn das nicht möglich ist - ein entsprechendes Medikament intravenös gegeben werden [10]. Auch bei intravenöser Gabe von Medikamenten sind etwaige Inkompatibilitäten z. B. mit Infusionslösungen zu bedenken. Im Zweifelsfall sollte die Gabe über einen eigenen Venenzugang, bzw. die Nutzung separater Lumina beim Mehrlumen-Zentral-Venenkatheter erfolgen.

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Prof. Dr. E. Muhl

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