B&G Bewegungstherapie und Gesundheitssport 2006; 22(2): 43
DOI: 10.1055/s-2006-921549
Editorial

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Editorial

EditorialG. Hölter
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
13. April 2006 (online)

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

mit diesem Heft greifen wir ein sehr interessantes, trainingsmethodisch spannendes und hoch aktuelles Thema auf. Bei Ihren Besuchen auf Messen, Ausstellungen oder Kongressen sind Ihnen in letzter Zeit sicher die immer zahlreicher werdenden Vibrationsgeräte aufgefallen. Das Grundprinzip beinhaltet ein motorisches Training unter Einwirkung von mechanischen Schwingungen. Dabei werden die Frequenz, die Schwingungsamplitude und die jeweiligen Übungen sehr unterschiedlich definiert. Einem Training mit Unterstützung von mechanischer Vibration werden die unterschiedlichsten Effekte und Wirkmechanismen zugeordnet.

Eigentlich müsste man von einer Renaissance sprechen, denn bereits in den 1970er-Jahren trainierten russische Turnerinnen nach den von Nazarov entwickelten Methoden. Einsatzziel war vorwiegend die Behandlung von verletzten Sportlern, bei denen die Systeme zur Detonisierung der Muskulatur eingesetzt wurden.

Heute bieten zahlreiche Hersteller Geräte mit ähnlichen Wirkprinzipien an. Glaubt man den Aussagen der Hersteller, handelt es sich um wahre Wundermaschinen. Den Einsatzvariationen sind keine Grenzen gesetzt: schnelle Trainingserfolge, effizienteres Krafttraining, mannigfaltige Therapieerfolge bei Osteoporose und Parkinson oder z. B. nach Schlaganfall.

Natürlich, und das ist sehr erfreulich, nimmt die Zahl der wissenschaftlichen Studien, die Effekte und Wirkmechanismen untersuchen, zu. So haben Berliner Wissenschaftler um Felsenberg (2004) in der Berliner Bed Rest Studie nachgewiesen, dass der Verlust an Knochenstabilität und Muskelleistung innerhalb einer 8-wöchigen Liegezeit mit Vibrationstraining wesentlich geringer ausfällt als mit konventionellen Trainingsmethoden. Ähnlich erfolgreiche Studienergebnisse werden z. B. bei Inkontinenz, Morbus Parkinson oder Osteoporose beschrieben. Dennoch scheint die Anwendung des mechanischen Vibrationstrainings nicht unumstritten zu sein, und es ist keinesfalls als Allheilmittel zu verstehen. Der Grat zwischen positiven Wirkungen und negativen Nebenerscheinungen scheint sehr schmal zu sein.

Insgesamt bleibt festzustellen, dass es noch viele ungeklärte Fragen zur Trainingsmethodik gibt. Angaben zu Schwingungsfrequenzen, Dosierungen und Aussagen zu entsprechenden Übungen sind oft sehr indifferent. Unbestritten werden gleichermaßen von Anwendern sehr viele positive Effekte beschrieben, die allerdings noch wissenschaftlich nachgewiesen werden müssen.

Wir werden in diesem Heft die vielen Fragen nicht beantworten können, möchten aber Denkanstöße geben. Mechanische Vibration ist ein spannendes und sicher innovatives Thema. Weitere wissenschaftliche Untersuchungen und therapeutische Erfahrungen sind dringend notwendig, um Sicherheit im Umgang mit mechanischer Vibration zu gewinnen.

Ihr Klaus Weiß

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