Handchir Mikrochir Plast Chir 2006; 38(3): 141-143
DOI: 10.1055/s-2006-924059
Historischer Beitrag

Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Herbert Höhler - ein Pionier der ästhetischen Chirurgie in Deutschland

Herbert Höhler - A Pioneer of Aesthetic Surgery in GermanyG. Lemperle1
  • 1Division of Plastic Surgery, University of California, San Diego, USA
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Publication History

Eingang des Manuskriptes: 1.3.2006

Angenommen: 6.3.2006

Publication Date:
04 July 2006 (online)

Die Schaffung der Herbert-Höhler-Nadel der Vereinigung der Deutschen Ästhetisch-Plastischen Chirurgen (VDÄPC) für herausragende Verdienste im Bereich der ästhetischen Chirurgie durch deren Präsident Rolf Rüdiger Olbrisch in Düsseldorf und erstmalige Verleihung 2004 an Herbert Höhlers alten Freund und früheren Generalsekretär der IPRAS, Ulrich T. Hinderer aus Madrid, ruft nach einem Lebensbild dieses ersten großen ästhetischen Chirurgen im Nachkriegs-Deutschland.

Geboren 1919 in Güstrow/Mecklenburg begann Herbert Höhler 1939 das Medizinstudium in Rostock und an den Universitäten Innsbruck und Graz, wurde zum Kriegsdienst eingezogen, und beendete es nach Rückkehr aus russischer Gefangenschaft 1950 mit dem Staatsexamen in Frankfurt am Main. Die Ausbildung zum Facharzt für Chirurgie erhielt er am Marienkrankenhaus in Frankfurt bis 1957, als er - damals schon bestimmt, plastischer Chirurg zu werden - zu den derzeit besten unseres Faches, zu Herbert Conway an die New Yorker Cornell University und dann zu Leonard Rubin ans Kings County Hospital in Brooklyn ging. (Abb. [1])

Abb. 1 Herbert Höhler 1919 - 1978.

Nach seiner Rückkehr 1959 eröffnete er in Frankfurt eine Praxis und brachte seine plastisch-chirurgischen Erfahrungen zunächst als Belegarzt am St. Markus-Krankenhaus ein, das ihm 1962 eine eigene Abteilung anbot. Mithilfe der Berufsgenossenschaften errichtete er 1970 die damals größte Klinik für Plastische Chirurgie mit zwei Oberärzten und sechs Assistenten, drei Operationssälen und drei Stationen mit insgesamt 50 Betten. Neben der rekonstruktiven Chirurgie in der Sonderabteilung der Berufsgenossenschaften legte er von Anfang an größten Wert auf die Eingliederung der ästhetischen Chirurgie in den Klinikbetrieb, die ihn und diese Abteilung über Deutschlands Grenzen bekannt machte.

Herbert Höhler war Gründungsmitglied der Vereinigung der Deutschen Plastischen Chirurgen 1969 [[6]], war Präsident ihrer Jahrestagung 1973 [[1]] und bis 1978 Mitglied des Vorstandes. Sein wissenschaftliches Interesse schlug sich in 108 Vorträgen und Veröffentlichungen nieder, von denen einige heute noch zitiert werden. So veränderte er erstmalig 1964 das Gesicht eines Kindes mit Down-Syndrom [[2]], für das er mit der Heinrich-Bechthold-Medaille ausgezeichnet wurde, schuf 1969 den axillären Zugang für die Brustaugmentation [[3]], rekonstruierte 1971 die erste amputierte Brust mithilfe eines gestielten Unterbauchlappens [[4]], vereinfachte und verminderte das Risiko der Reduktionsmammaplastik mit kranialem Stiel [[5]] und arbeitete an unzähligen kleinen Tricks, die die ästhetische Chirurgie effektiver und sicherer machten. Vor der Einrichtung einer Klinik für MKG-Chirurgie an der Frankfurter Universität wurden die meisten Lippen-Kiefer-Gaumenspalten Hessens in seiner Klinik am St. Markus-Krankenhaus operiert. (Abb. [2])

Abb. 2 Erste Jahrestagung der VDPC in München 1970, organisiert von Ursula Schmidt-Tintemann. Von links nach rechts: Josef Schrudde, Herbert Höhler, Fritz W. Müller, Heinz Bohmert, Frau Heumann, Peter R. Zellner, Heinz-Edzard Köhnlein, Neven Olivari, Günther Lösch, Peter Härtel, Wolfgang Mühlbauer.

Da er als „Schönheitschirurg“ unter den chirurgischen Kollegen Frankfurts keinen leichten Stand hatte, wurde er zum unbeugsamen Kämpfer für eine seriöse und fundierte ästhetische Chirurgie. Wer immer auf diesem Gebiet etwas Neues brachte, wurde in seine Frankfurter Klinik zum „Voroperieren“ eingeladen. Viele Assistenten deutscher plastisch-chirurgischer Kliniken mit vorwiegend rekonstruktivem Spektrum erlernten die ästhetischen Operationen in Frankfurt. Sein Ruf ist bei seinen unzähligen Patienten in ganz Deutschland wie bei seinen früheren Kollegen ungebrochen.

Seine bewundernswerte Frau Hildegard Höhler, die von 1961 an seine Privatpraxis organisierte, wohnt heute wieder in Frankfurt; einer seiner Söhne ist Chirurg und will in die Fußstapfen seines berühmten Vaters treten. Sein bester Freund, Fritz E. Müller, der Gründer und Motor der früheren VDPC, ist heute noch in den Geschicken seiner kürzlich in Deutsche Gesellschaft der Plastischen, Rekonstruktiven und Ästhetischen Chirurgen (DGPRÄC) umbenannten Vereinigung engagiert.

Herbert Höhler selbst war ein hervorragender und minutiöser Operateur, der selten mit seinen/unseren Ergebnissen zufrieden war. Oft zog er am Ende einer Operation seinen/unseren Intrakutanfaden wieder heraus, weil ihn eine kleine Unebenheit störte. Das hatte fraglos einen guten erzieherischen Effekt auf alle Assistenten, die solche „Kleinigkeiten“ in unserem Fach auf die leichte Schulter nahmen. Die OP-Schwestern liebten ihn wegen seiner durchorganisierten und immer gleich ablaufenden Operationen, bei denen jeder Schritt bekannt und vorhersehbar war. Die daraus resultierende automatische Wiederholbarkeit seiner Operationen war das Geheimnis der „Höhler-Schule“, der wir, seine vielen Assistenten, unsere plastisch-chirurgischen Grundkenntnisse verdanken. (Abb. [3])

Abb. 3 Gottfried Lemperle und Herbert Höhler 1976 in Travemünde.

Im Frühjahr 1977, auf dem Höhepunkt seiner Karriere, wurde er plötzlich mit der Diagnose eines Pankreaskarzinoms überrascht. In Boston laparotomierten sie und legten einen Leber-Shunt. Der Erfolg der Chemotherapie sei fraglich, er habe noch drei bis vier Monate zu leben. - Er lehnte ab, war ab diesem „Todesurteil“ zu keiner Freude mehr fähig, suchte Verdrängen im Operieren und schaute dabei durch uns hindurch wie bereits gegangen. Der September kam, er lebte immer noch relativ beschwerdefrei, zweifelte plötzlich an der Diagnose, die Hoffnung erwachte. Er wurde wieder der alte Kämpfer, suchte nach Therapien, fuhr ins Krebszentrum Heidelberg, lebte wieder und klammerte sich an jeden Strohhalm, bis ihn im Februar 1978 das unausweichliche Schicksal ereilte.

Die Hoffnung nehmen, kommt Töten gleich. Ich habe seither jeden Krebspatienten belogen, das heißt seine/ihre Hoffnung gestärkt, oft bis zum bitteren Ende. Niemand will, wenn es darauf ankommt, die Wahrheit hören. Vor allem, niemand weiß mit dieser Wahrheit etwas anzufangen. Diese Erfahrung war das größte ärztliche Vermächtnis, das Herbert Höhler mir mit auf den Weg gegeben hat. Er hätte sich bestimmt gefreut, dass 2005 sein langjähriger Oberarzt und Nachfolger Gottfried Lemperle als zweiter Träger seiner Nadel ausgesucht wurde.

Literatur

  • 1 Höhler H. Plastische und Wiederherstellungschirurgie. Stuttgart; Schattauer 1975
  • 2 Höhler H. Änderung des Gesichtsausdruckes durch plastische Operationen am mongoloiden Kind.  Umschau. 1977;  77 35-36
  • 3 Höhler H. Breast augmentation: The axillary approach.  Brit J Plast Surg. 1973;  26 373-376
  • 4 Höhler H. Reconstruction of the female breast after radical mastectomy. Converse JM Reconstructive Plastic Surgery. Philadelphia; Saunders 1977: 3710-3726
  • 5 Höhler H. Die Reduktionsplastik der weiblichen Brust.  Z Plast Chir. 1978;  2 68-91
  • 6 Müller E F. Nachruf auf Herbert Höhler.  Z Plast Chir. 1978;  2 65-67

Prof. Dr. med. Gottfried Lemperle

Division of Plastic Surgery
University of California, San Diego, CA

302 Prospect Street

La Jolla, CA 92037

USA

Email: glemperle@aol.com

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