Psychother Psychosom Med Psychol 2006; 56 - A24
DOI: 10.1055/s-2006-934244

Kortikale Bildgebung bei funktionellen Magen-Darm-Störungen

P Enck 1, A Kowalski 2, H Hinninghofen 2, S Zipfel 2
  • 1Universitätsklinikum Tübingen, Medizinische Klinik VI, Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Tübingen
  • 2Abt. Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Medizinische Klinik, Universitätsklinikum Tübingen, Tübingen

Die Darm-Hirn-Achse bei Menschen entzieht sich leicht einer klinischen Untersuchung mit psychophysiologischen Methoden. Drei prinzipiell unterschiedliche Verfahrensweise lassen sich unterscheiden: a) die Validierung von psychophysiologischen Perzeptionsstudien, wie sie in den vergangenen Jahrzehnten üblich waren, mithilfe neurophysiologischer Verfahren der kortikalen Bildgebung bei Kontrollprobanden und bei Patienten, z.B. mit Reizdarmsyndrom (RDS); dabei werden die Darmabschnitte repetitiv stimuliert und die kortikalen Aktivierungen in Form von „evozierter Aktivität“ registriert (1); b) die Überprüfung der Funktionalität der Darm-Hirn-Achse, mit den gleichen Verfahren, bei Patienten mit einer gesicherten Unterbrechung der Reizleitung vom Darm zum Gehirn, z.B. im Rahmen einer traumatischen Läsion des Rückenmarks oder der chirurgischen Entfernung des Zielorgans (2); c) die Entwicklung spezifischer, den langsamen Prozessen des Darms angemessener neuer Untersuchungsstrategien unter Verzicht auf repetitive Stimulation (3). Alle drei Vorgehensweisen habe neue Erkenntnisse über die zentrale Verarbeitung viszeraler Informationen erbracht: Das aus Insel, anteriorem Cingulum (ACC), präfrontalem Kortex (PFC) sowie aus einigen subkortikalen Arealen (Hypothalamus, Cerebellum, Hirnstamm) bestehende Netzwerk ist nicht spezifisch für viszerale Informationen, weist aber beim RDS typische Veränderungen (Reduktion der ACC- und Erhöhung der PFC-Aktivierung) auf, die sich auch bei Scheinstimulation und der Placeboantwort finden. Patienten mit Rückenmarksläsionen weisen Aktivierungen desselben Netzwerkes auf, nur mit erheblich geringerer Koordination. Langsame periphere Prozesse, z.B. die Aufnahme der Nahrung, zeigen kortikal zeitliche „Cluster“ von Aktivierungen, die bei Patienten mit Essstörungen gestört sein können. Diese Erkenntnisse werden in Zukunft eine bessere Differenzierung der Patientenpopulationen erlauben und darüber hinaus auch den Therapieprozess beeinflussen.