Psychother Psychosom Med Psychol 2006; 56 - A35
DOI: 10.1055/s-2006-934255

Psychosoziale Vulnerabilität als Prädiktor für Lebensqualität und Lebenszufriedenheit nach einer Organtransplantation–Ergebnisse einer prospektiven Studie mit Lungen-, Leber- und Knochenmarks-Patienten

L Götzmann 1, R Klaghofer 1, R Wagner-Huber 1, J Halter 2, A Boehler 2, B Müllhaupt 2, C Buddeberg 1
  • 1Abt. Psychosoziale Medizin, Universitätsspital Zürich, Zürich, Schweiz
  • 2Departement Innere Medizin, Universitätsspital Zürich, Zürich, Schweiz

Hintergrund: Zur psychosozialen Evaluation von Transplantations-Kandidaten gehört u.a. eine Abschätzung ihrer Belastbarkeit und ihrer psychosozialen Ressourcen. In der vorliegenden Studie wird überprüft, ob „psychosoziale Vulnerabilität“ ein Prädiktor für das körperliche und psychosoziale Outcome nach einer Organtransplantation ist.

Methodik: Bei 76 Patienten vor einer Lungen- (n=22), Leber- (n=26) oder Knochenmarkstransplantation (n=28) werden Angst und Depressivität (HADS-D), inneres Kohärenzgefühl (SOC–13), Optimismus (LOT), soziale Unterstützung (F-SozU) und das psychosoziale Funktionsniveau (TERS) erhoben. Diese Variablen werden als potentielle „Vulnerabilitätsmarker“ verstanden, die auf eine psychosoziale Vulnerabilität hinweisen. Als Outcome-Variablen werden 12 Monate postoperativ physische und psychische Lebensqualität (SF–36), allgemeine und gesundheitsbezogene Lebenszufriedenheit (FLZ), Angst und Depressivität (HADS-D) sowie der Bedarf an psychosozialer Beratung erhoben.

Ergebnisse: Die prätransplantären Merkmale erklären insgesamt zwischen 21% und 40% der Varianz der psychosozialen Outcome-Variablen; allerdings sind sie keine Prädiktoren für die posttransplantäre physische Lebensqualität. Kohärenzgefühl und Optimismus im Sinne eines zeitlich stabilen, kognitiven Bewältigungspotentials sind Prädiktoren für das psychische Wohlbefinden 12 Monate nach der Transplantation. Angst, Depressivität, soziale Unterstützung und das psychosoziale Funktionsniveau sind Prädiktoren für die allgemeine Lebenszufriedenheit: Das vor der Transplantation eingeschätzte psychosoziale Funktionsniveau sagt den zukünftigen Beratungsbedarf vorher.

Schlussfolgerung: Das Vulnerabilitäts-Modell eignet sich für die Prädiktion des psychosozialen Verlaufs nach einer Organtransplantation. Patienten mit hoher Vulnerabilität sollten kontinuierlich durch einen Psychologen oder Psychiater mitbehandelt werden.