Psychother Psychosom Med Psychol 2006; 56 - A57
DOI: 10.1055/s-2006-934277

Psychotherapie bei somatoformen autonomen Funktionsstörungen des oberen und unteren Gastrointestinaltrakts (Reizmagen- und Reizdarmsyndrom)

U Martens 1, P Enck 2, S Zipfel 1
  • 1Abt. Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Medizinische Klinik, Universitätsklinikum Tübingen, Tübingen
  • 2Universitätsklinikum Tübingen, Medizinische Klinik VI, Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Tübingen

Zwischen 1983 und 2005 sind nach Metaanalysen und systematischen Reviews 20 bis 25 Psychotherapiestudien bei Patienten mit Reizdarmsyndrom (RDS) durchgeführt worden. In der ersten kontrollierten und in weiteren Bereichen der Gastroenterologie akzeptierten RDS-Psychotherapiestudie von Svedlund et al. (1983) erhielten alle Patienten der Kontrollgruppe eine medizinische Standardtherapie. Die Psychotherapiegruppe erhielt die gleiche medizinische Standardtherapie sowie zusätzlich eine 10-stündige psychodynamische Psychotherapie mit Ziel der Schmerzreduktion, und sie war der rein symptomatischen medizinischen Therapie überlegen. Dieser Effekt war auch ein Jahr später noch nachweisbar. Therapiestudien mit ähnlichem Design konnten die Wirksamkeit auch anderer Psychotherapieformen (Hypnose, Verhaltenstherapie, kognitive Therapien) belegen. Psychotherapie war auch wirksam bei Patienten mit therapierefraktärem Reizdarmsyndrom, und war der psychopharmakologischen Behandlung (mit Antidepressiva) überlegen. In den letzten Jahren wurden vermehrt pragmatische, edukative Ansätze verfolgt, in denen den Patienten vor allem die Vermittlung von Krankheitskonzepten und Bewältigungsstrategien vermittelt wurden, teilweise in Form von Gruppentherapien; auch diese Form der Behandlung erwies sich als effektiv. In einer eigenen Studie an 80 RDS-Patienten (Martens et al. 2005) konnten wir zeigen, dass die Psychotherapiemotivation unter anderem vom Geschlecht der Patienten abhing, bei Frauen höher war, und negativ korreliert war mit dem empfundenen Beschwerdedruck. Die Datenlage zur Wirksamkeit der Psychotherapie ist weitaus schlechter und uneinheitlicher für Patienten mit funktioneller Dyspepsie (FD); hier liegen nur wenige Studien vor. Hamilton et al. (2000) konnten in einer randomisierten Studie erstmals zeigen, dass Psychotherapie auch bei FD einer konventionellen, symptomatischen Therapie überlegen ist; dies galt aber nur für eine Subgruppe mit milder bis mittelschwerer FD.