Psychother Psychosom Med Psychol 2006; 56 - A102
DOI: 10.1055/s-2006-934322

Die Leberlebendspende aus Sicht des Spenders: Qualitative Untersuchungsergebnisse zu ungünstigem postoperativem Verlauf

M Walter 1, C Papachristou 2, G Danzer 2, P Neuhaus 3, BF Klapp 2, J Frommer 4
  • 1Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel, Basel, Schweiz
  • 2Medizinische Klinik mit Schwerpunkt Psychosomatik, Charité Universitätsmedizin Berlin, Berlin
  • 3Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie, Berlin
  • 4Abteilung für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, Magdeburg

Die Leberlebendspende hat sich entwickelt bei wachsendem Organmangel zu einer etablierten Behandlungsmethode in der Therapie terminaler Lebererkrankungen bei Erwachsenen. Bislang gibt es nur wenige empirische Studien zu der Evaluation und dem Outcome der Spender, die sich durch die Resektion des rechten Leberlappens dem Risiko medizinischer Komplikationen aussetzen.

Eine Leberresektion wurde bei 33 Spendern durchgeführt. Ein halbes Jahr nach Transplantation wurden psychometrische Test und semistrukturierte Interviews durchgeführt. 6 Spender zeigten mit hohen Werten für ängstliche Depressivität ein ungünstiges Outcome. Die Interviews dieser Spender wurden transkribiert und qualitativ ausgewertet.

Die Spender mit ungünstigem psychologischem Outcome berichten über körperliche Beeinträchtigungen und psychische Belastungen nach der Operation, die eng mit dem postoperativen Verlauf der Empfänger verbunden sind. Trauer um den Verlust ist besonders bei Abstossung und Tod des Empfängers festzustellen. Es bestehen Ängste und Sorgen um den Empfänger und um die eigene Gesundheit, die von dem Medizinalsystem und der sozialen Umwelt als nicht ausreichend wahr genommen erlebt wird.

Die Leberlebendspende führt zu einer besonders intensiven Beziehungsaufnahme zwischen Spender und Empfänger. Im postoperativen Verlauf kommt es zu einer schrittweisen Trennung aus der engen Beziehung zwischen Spender und Empfänger. Treten hier Komplikationen auf, führen körperliche Beschwerden, Ängste und Selbstwertprobleme zu psychosozialen Belastungen und einer starken Abwehr, die mit psychosomatischer und ängstlich-depressiver Symptomatik verbunden sein kann. In dieser Phase ist eine adäquate medizinisch-psychologische Betreuungsmöglichkeit für die Spender erforderlich.