Dtsch Med Wochenschr 2006; 131(18): 1050
DOI: 10.1055/s-2006-939895
Korrespondenz | Correspondence
Leserbrief
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Nephropathie, Klinik und Prävention

Zum Beitrag aus DMW 42/2005M. L Bahner
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Publication Date:
03 May 2006 (online)

Es ist das Verdienst von Adolph et al., das Thema der Kontrastmittel-induzierten Nephropathie durch ihren Beitrag in der DMW [7] einem breiten internistischen und allgemeinmedizinischen Publikum zugänglich gemacht zu haben. Dennoch bedarf es m. E. einiger inhaltlicher Richtigstellungen.

Die zugrunde liegende Pathogenese der Kontrastmittel-induzierten Nephropathie (CIN) ist bis heute nicht eindeutig geklärt. Persson et al. [1] stellten in einer aktuellen Arbeit den derzeitigen Wissensstand sehr umfassend dar. Die Kenntnis der wohl multifaktoriellen Pathophysiologie ist wiederum Schlüssel zu einer möglichen Prophylaxe. Dies umso mehr, da die Studienlage zur Prophylaxe der CIN insgesamt uneinheitlich ist.

Neben der Vermeidung der Exposition mit Röntgenkontrastmitteln ist die einzig wirklich gesicherte prophylaktische Maßnahme gegen CIN, wie auch von Adolph et al. ausgeführt, die ausreichende Hydratation periprozedural. Die Datenlage ist hier breit fundiert, wie ja auch schlüssig dargelegt.

In den letzten Jahren tauchte eine Vielfalt an verschiedenen Vorschlägen zur Prävention der CIN auf. Jeder einzelne konnte in der Regel durch einen spezifischen Aspekt aus dem Potpourri der multifaktoriellen Pathophysiologie der CIN erklärt werden. Viele dieser Ansätze sind inzwischen widerlegt, wie ja auch im Artikel dargestellt. Zwei Ansätze finden allerdings derzeit eine gewisse Beachtung, da erste, thesengenerierende Studien Hinweis auf eine mögliche Wirksamkeit geben.

Der erste ist die Hydratation mit einer Natriumbicarbonat-Lösung [2] unter der Idee, die Bildung freier Sauerstoffradikale zu reduzieren. Es ist absolut richtig, dass die Autoren hier den unabhängigen Evidenznachweis mittels einer entsprechend gepowerten prospektiven, randomisierten Studie fordern, bevor eine entsprechende Therapieempfehlung für den klinischen Alltag formuliert werden kann, auch unter Berücksichtigung möglicher Nebenwirkungen.

Der zweite Ansatz ist die Verwendung eines iso-osmolaren, dimeren Kontrastmittels. Dieser Vorschlag basiert auf der Publikation von Aspelin et al. [3], die Daten von 129 Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion umfasst, leider aber einige Disproportionalitäten im Bereich der Randomisierung aufweist. Diese Studie ist aufgrund ihrer Größe, genau wie die Studie von Merten et al. [2] als thesengenerierend einzustufen. Es ist für mich vollkommen unverständlich, dass die Autoren hier einen entsprechenden Hinweis auf die Notwendigkeit einer entsprechend gepowerten prospektiven, randomisierten Studie unterlassen. Neben der grundsätzlichen Richtigkeit eines solchen Hinweises wäre er umso wichtiger, da die Datenlage zu iso-osmolaren, dimeren Kontrastmitteln bezüglich CIN keineswegs einheitlich ist [4] [5]. Darüber hinaus ist es auf der Basis pathophysiologischer Überlegungen eine gleichsam realistische Möglichkeit, dass die iso-osmolaren, dimeren Kontrastmittel aufgrund ihrer höheren Viskosität eben keinen Nutzen zur Prävention der CIN haben [1] [6]. Um hier belastbare Ergebnisse zu bekommen, werden derzeit entsprechende Studien mit etwas mehr als 900 geplanten Patienten durchgeführt (www.clinicaltrials.gov: NCT00209417 und NCT00209430).

Trotz der, wie oben ausgeführt, im Moment noch zu dünnen Datenlage geben Adolph et al. eine eindeutige Therapieempfehlung: „Bei Risikopatienten sollte iso-osmolares Kontrastmittel zum Einsatz kommen”. Diese Empfehlung muss zum jetzigen Zeitpunkt als leichtfertig und unverantwortlich eingestuft werden. Es ist durchaus möglich, dass, sollte der Viskositäts-Aspekt in der Pathophysiologie eine wichtigere Rolle spielen als die Osmolalität alleine, Patienten durch die Verwendung eines iso-osmolaren, dimeren Kontrastmittels einem höheren Risiko ausgesetzt sind, als bei Verwendung eines niedrig-osmolaren, nicht-ionischen Kontrastmittels [6]. Erst wenn Ergebnisse der derzeitig laufenden Studien vorliegen, kann eine solche Empfehlung guten Gewissens dann publiziert werden, oder eben nicht, je nach Ergebnis.

Abschließend bleibt mir noch, auf die effektivste Vermeidung einer CIN hinzuweisen. Dieses ist selbstredend die Vermeidung der Verwendung von Röntgenkontrastmitteln bei Risikopatienten, z. B. indem andere, alternative Untersuchungsverfahren wie Ultraschall oder die MRT zum Einsatz kommen. Da CIN nicht nur ein Problem kardiologischer Patienten nach Herzkatheter ist, sondern natürlich auch bei allen anderen radiologischen Verfahren unter Einsatz von Röntgenkontrastmitteln auftreten kann, muss im Rahmen eines solchen Artikels zwingend auf diese Alternative hingewiesen werden. Die geringere Rate an CIN im Rahmen der MRT ist durch die viel geringeren Kontrastmittelvolumina bedingt. Jeder internistische und allgemeinmedizinische Kollege, der Untersuchungsanforderungen ausstellt, sollte sich dieser Alternative bewusst sein und im Zweifel den Rat des entsprechenden Fachkollegen suchen.

Literatur

  • 1 Persson P B, Hansell P, Liss P. Pathophysiology of contrast medium-induced nephrophathy.  Kidney Int. 2005;  68 14-22
  • 2 Merten G J, Burgess W P, Gray L V. et al . Prevention of contrast-induced nephrophathy with sodium bicarbonat.  JAMA. 2004;  291 2328-2334
  • 3 Aspelin P, Aubry P, Fransson S -G, Strasser R, Willenbrock R, Berg K J. Nephrotoxic effects in high-risk patients undergoing angiography.  N Engl J Med. 2003;  348 491-499
  • 4 Baker C SR, Wragg A, Jumar S, De Palma R, Baker L RI, Knight C J. A Rapid Protocol for the prevention of Contrast-Induced Renal Dysfunction. The RAPPID study.  J Am Coll Cardiol. 2003;  41 2114-2118
  • 5 Stone G W, McCullough P A, Tumlin J A. et al . Fenoldopam Mesylate for the Prevention of Contrast-induced Nephropathy. A Randomized Controlled Trial.  JAMA. 2003;  290 2284-2291
  • 6 Liss P, Persson P, Hansell P, Nilsson T, Lagerkvist B. Two-fold Higher Incidence of Renal Failure in 52,526 Patients Undergoing Coronary Interventions of Swedish Hospitals Using Iso-osmolar Contrast Media Compared to Low-osmolar Contrast Media.  RSNA. 2005;  , http://rsna2005.rsma.org/rsna2005/conference/event_display.cfm?em_id = 4 415 382
  • 7 Adolph E. et al . Kontrastmittel-induzierte Nephropathie. Klinik und Prävention.  Dtsch Med Wochenschr. 2005;  130 2391-2396

Priv.-Doz. Dr. med. Malte L. Bahner

Arzt für Diagnostische Radiologe, Ärztliches Qualitätsmanagement

Habsburgerstraße 10

10781 Berlin

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