Geburtshilfe Frauenheilkd 2006; 66 - FV_K_01_01
DOI: 10.1055/s-2006-952174

Prävalenz, Inzidenz, Progression und Regression des Genitalprolapses in der Normalpopulation: Ergebnisse einer 5-jährigen longitudinalen Studie

K Baessler 1, S O'Neill 2, CF Maher 3
  • 1Charité, Klinik für Gynäkologie im Campus Benjamin Franklin und Campus Mitte, Berlin
  • 2Betty Byrne Henderson & Women's Research Centre Brisbane, Brisbane, Australien
  • 3Wesley, Royal Brisbane & Women's and Mater Hospitals, Brisbane, Australien

Hintergrund: Longitudinale Daten der „natürlichen“ Entwicklung des Genitalprolapses und seiner Risikofaktoren existieren kaum. Das Ziel dieser Studie ist es, Daten zur Prävalenz, Inzidenz, Zu- und Abnahme von Genitalprolaps und Beckenboden-Symptomen sowie zu Risikofaktoren über 5 Jahre zu erheben. Methode: Mit 493 Frauen einer Zufallsprobe der Brisbaner Normalbevölkerung im Alter von 40–80 Jahren wurde ein Interview mit einem validierten Beckenboden-Fragebogen (1) durchgeführt. Das Stadium einer Genitalsenkung wurde anhand der Standardisierung der International Continence Society (POPQ) bestimmt. Nach 1 und 5 Jahren wurden Interview und Untersuchung wiederholt, immer von der gleichen Gynäkologin. Frauen mit Beckenboden-Operationen in der Anamnese wurden ausgeschlossen und somit 410 Frauen analysiert. Ergebnisse: Stadium 2 Prolaps wurde bei 77/410 Frauen (19%) im ersten Jahr, bei 86/410 (21%) nach zwei und bei 117/410 (28%) nach fünf Jahren beobachtet; dies ist eine signifikante Zunahme. Die vordere Vaginalwand deszendierte signifikant häufiger als die hintere. Die 1- bzw. 5-Jahres-Inzidenzen für Genitalprolaps waren 28% und 46%, die Raten für Progression 10% und 29% und für Regression 9% und 17%. Prolapsprogression war signifikant verbunden mit dem Geburtsmodus (keine Geburten, nur Sectio, vaginale Entbindungen). Systemisches Östrogen führte zu mehr Deszensus (OR 1.7 95%CI 1.1–2.5). Faktoren, die zur Deszensus-Abnahme führen, konnten nicht eruiert werden. Die subjektive Wahrnehmung der Senkung korrelierte nicht mit der Deszensusquantifikation. Nur 30% der Frauen mit Stadium 2 gaben Prolapssymptome an und nur 19% hatten einen Leidensdruck. Diskussion: Die Prävalenz-, Inzidenz- und Progressionsraten des Genitaldeszensus sind hoch. Nur wenigen Frauen ist die Senkung bewusst und noch weniger stört sie. Überraschend ist die hohe Regressionsrate. Geburtsmodus und systemische Hormonersatztherapie sind Risikofaktoren für die Deszensusentwicklung.