Geburtshilfe Frauenheilkd 2006; 66 - FV_O_02_01
DOI: 10.1055/s-2006-952259

Das Stammzellkarzinom der Mamma: Modell der endokrinen Dysregulation und seine klinische Bedeutung

A Rody 1, U Holtrich 2, C Solbach 2, V Müller 3, E Ruckhäberle 2, R Gätje 2, M Gehrmann 4, G von Minckwitz 2, T Karn 2, M Kaufmann 2
  • 1Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe der Johann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt
  • 2Universitätsfrauenklinik Frankfurt am Main, Frankfurt am Main
  • 3Universitäts-Frauenklinik Hamburg, Hamburg
  • 4Bayer Health Care, Leverkusen

Hintergrund:

Modelle für die Entstehung der weiblichen Brustdrüse gehen derzeit von einer Östrogenrezeptor (ER) negativen Stammzelle und einer östrogensensiblen, ER positiven Progenitorzelle aus.

Methode:

An Tumorgewebe von n=171 Mammakarzinompatientinnen wurden Genexpressionsanalysen durchgeführt (Affymetrix Hg U133 (22.500 gene)). Eine Validierung erfolgte mit einem unabhängigen Kollektiv von n=100 Patientinnen.

Ergebnisse:

Zwei Tumorsubtypen (23,4% aller Mammakarzinome) konnten durch hierarchisches Clustering und der Expression von klassischen Stammzellmarkern (CK5/6, Wnt-assoziierte Gene, α-6 Integrin, MUC1, CD24) identifziert werden. Diese stammzellähnlichen (SCL) Tumore zeichnen sich durch eine hohe Korrelation von ER-Status und Proliferation („genomic proliferation ranking“) aus. Außerhalb dieser Subgruppe kann diese Korrelation nur in der Hälfte der Fälle beobachtet werden („uncoupling“). Im Vergleich des krankheitsfreien Überlebens (DFS) innerhalb der verschiedenen Subgruppen, konnte beobachtet werden, dass ER positive Karzinome mit hoher Proliferation (30,9% uncoupled tumors) den ER negativen Tumoren gleichen, und somit eine signifikant schlechtere Prognose als SCL ER positive Mammakarzinome haben (p=0,0101, Log Rank Test). Diese Eigenschaft erlaubt die Identifizierung dysregulierter Gene, wie z.B. AHSA2, einem essentiellen Faktor für die Reifung von Steroidhormonrezeptoren, die in Bezug auf das Auftreten eines Krankheitsrezidivs im Vergleich zu Standardparametern (Nodalstatus, Tumorgröße, Grading, Rezeptorstatus, Her-2) die höchste prädiktive Wertigkeit aufweisen (overall hazard ratio 4,36, 95% CI 1,84–10,3, p=0,001, multivariate Cox Regressionsanalyse). Erstmalig konnten durch Genexpressionsanalyse Mammakarzinomsubtypen mit Stammzellcharakteristika identifiziert werden, die wichtige Einblicke in Pathophysiologie, sowie östrogenvermittelte Regulationsmechanismen gewähren.