Geburtshilfe Frauenheilkd 2006; 66 - PO_G_01_20
DOI: 10.1055/s-2006-952438

Pränatale Diagnose einer Neumutation im L1CAM-Gen beim familiären (X-linked) Hydrozephalus

M Rehn 1, G Girschick 1, M Wamsler 1, K Franke 2, MH Monir 2, D Singer 3, J Dietl 1
  • 1Universitäts-Frauenklinik Würzburg, Würzburg
  • 2Gemeinschaftspraxis Prager/Junge/Hennig/Linné, Dresden, Dresden
  • 3Universitätsklinikum Würzburg, Kinderklinik und Poliklinik, Würzburg

In der Entwicklung des zentralen Nervensystems spielt das L1-Protein (neural Cell adhesion molecule L1CAM) eine herausragende Rolle. Mutationen im L1CAM-Gen, das sich auf dem X-Chromosom befindet, verursachen neben dem so genannten X-linked-Hydrozephalus eine Reihe phänotypischer Veränderungen, die unter dem Sammelbegriff CRASH-Syndrom für Corpus-callosum-Hypoplasie, Retardierung, adduzierte Daumen, spastische Paraplegie, Hydrozephalus zusammengefasst werden können. Es sind zahlreiche krankheitsauslösende Mutationen und ein breites Spektrum der klinischen Auswirkungen beschrieben.

In unserem Fall wurde die bisher unbekannte Mutation c.3004G>T (p.Gly1002Cys) im Exon 22 des L1CAM-Gens bei einem 9 Monate alten Jungen entdeckt, dessen Mutter zu diesem Zeitpunkt erneut schwanger war. Auch die Chorionzottenbiopsie in der laufenden Schwangerschaft ergab diese Mutation. Bei beiden Geschwistern war pränatal ein progredienter Hydrozephalus ohne assoziierte Fehlbildungen festzustellen. Durch die DNA-Sequenzierung der Schwangeren, ihrer Eltern und ihres Onkels ließ sich nachweisen, dass die Mutation bei der Mutter der beiden betroffenen Jungen neu aufgetreten ist. Nach ausführlicher humangenetischer und pädiatrischer Beratung entschieden sich die Eltern für die Fortführung der Schwangerschaft. Wie beim ersten Kind wurde eine primäre Sectio caesarea durchgeführt. Beide Kinder erhielten einen ventrikuloperitonealen Shunt.

Die Beratungssituation war insofern außergewöhnlich, als die Mutation bisher nicht als krankheitsauslösend beschrieben war und die klinische Ausprägung der Erkrankung und deren Prognose beim ersten Sohn zum Zeitpunkt der Chorionzottenbiopsie in der zweiten Schwangerschaft schwer abschätzbar waren.