Geburtshilfe Frauenheilkd 2006; 66 - PO_K_02_01
DOI: 10.1055/s-2006-952466

Biografische Anamnese und Komplikationen der Frühschwangerschaft

M Bulgay-Mörschel 1, S John 2, K Leppert 3, B Strauß 3, E Schleußner 1
  • 1Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Universität Jena, Jena
  • 2Universitätsklinikum Jena, Jena
  • 3Institut für Medizinische Psychologie, Universität Jena, Jena

Einleitung: Die multifaktorielle Genese der Hyperemesis gravidarum und Abortus imminens umfasst neben somatischen auch psychosomatische Faktoren.

Methodik: 58 (Risikogruppe) aufgrund Hyperemesis gravidarum(19) oder Abortus imminens (39) stationäre Patientinnen sowie 50 Kontrollen wurden in die Studie aufgenommen. Die Erfassung biografischer und sozioökonomischer Daten und aktueller Konflikte erfolgte anhand eines halbstandardisierten Interviews. Die statistische Auswertung wurde mittels Chi-Quadrat-Test, des exakten Tests nach Fischer und Mann-Whitney-U-Test durchgeführt.

Ergebnisse: Die Risikogruppe unterschied sich hinsichtlich der biografischen Anamnese signifikant von der Kontrollgruppe: Disharmonische Familienatmosphäre in der Kindheit (38% vs. 16%, p=0,027), konflikthaftes Verhältnis zur Mutter (41% vs. 8%, p=0,001) und zum Vater (41% vs. 28%, p=0,032), negative Äußerungen der Mutter bezüglich SS und Entbindung (24% vs. 12%, p=0,021) und seltener „normale“ SS bei der eigenen Mutter (9% vs. 30%, p=0,002). Die aktuelle Lebenssituation wird durch Unzufriedenheit am Arbeitsplatz (38% vs. 6%, p=0,001) und gespanntes Verhältnis zu den Eltern (17% vs. 4%, p=0,034) gekennzeichnet.

Diskussion: Familienatmosphäre in Kindheit und Jugend und das Verhältnis zu den Eltern spielen in der Psychogenese zahlreicher psychosomatischer Erkrankungen eine wichtige Rolle. Für die Entwicklung von Komplikationen in der Frühschwangerschaft ist die Beziehung zu den Eltern, insbesondere zur Mutter von besonderer Bedeutung. Unzureichende bzw. negative Thematisierung von Sexualität, Schwangerschaft und Entbindung in der Adoleszens können zur Ausbildung eines negativen Frauen- und Mutterbildes führen. Zusätzliche externe Stressfaktoren als auslösende Momente können für den Ausbruch der Erkrankung in Frage kommen. Die multifaktorielle Genese dieser Erkrankungen erfordert neben einer somatischen eine psycho-somatische Diagnostik und Therapie.