Geburtshilfe Frauenheilkd 2006; 66 - PO_G_04_12
DOI: 10.1055/s-2006-952871

Spinale Muskelatrophie- eine Kasuistik

J Waldschläger 1, V Briese 1, N Ulfig 2, B Gerber 1
  • 1Universitätsfrauenklinik und Poliklinik am Klinikum Südstadt der Hansestadt Rostock, Rostock
  • 2Institut für Anatomie, Universität Rostock, Rostock

Einleitung: Die 2. häufigsten autosomal- rezessiv vererbbaren Erkrankungen mit einem Vorkommen von ca. 1 auf 10.000 Geburten sind spinale Muskelatrophien (SMA). Neuropathologisch handelt es sich um einen chronisch-progredienten Untergang der motorischen Vorderhornzellen. Man unterscheidet je nach Manifestationszeitpunkt Typ I (infantile Form, M. Werdnig-Hoffmann), Typ II (Intermediärtyp), Typ III (juvenile Form, M. Kugelberg-Welander) und Typ IV (adulte Form). Die Manifestation im frühen Kindesalter geht zumeist mit einem schweren Krankheitsverlauf einher, der häufig in den ersten Lebensmonaten durch respiratorische Insuffizienz und rezidivierende Infekte letal endet. Derzeit existieren bis auf experimentelle Ansätze noch keine kausalen Therapien. Kasuistik: In unserer Klinik stellte sich eine 26.-jährige I. Grav./0. Para in der 21. SSW vor, die einen Antrag auf vorzeitige Schwangerschaftsbeendigung stellte. Vorausgegangen waren eine humangenetische Beratung sowie eine molekulargenetische Untersuchung bei den Eltern aufgrund einer positiven FA (Cousine des Kindsvaters). Beide wiesen eine heterozygote Deletion im für die SMA diagnoserelevanten SMN1-Gen auf Chromosom 5q auf. Eine Untersuchung des mittels Chordocentese gewonnenen Fetalbluts ergab eine homozygote Deletion im SMN1-Gen und somit die große Wahrscheinlichkeit einer Erkrankung des Kindes an SMA. Die Eltern entschlossen sich zur Schwangerschaftsbeendigung. Schlussfolgerung/ Beratungshinweise: Ein Heterozygotenscreening existiert derzeit nicht, an erster Stelle steht nach wie vor die humangenetische Beratung. Eine Pränataldiagnostik, z.B. durch Chorionzottenbiopsie oder Frühamniocentese, sollte betroffenen Familien bei erneuter Schwangerschaft möglichst früh empfohlen werden, da die Wiederauftretenswahrscheinlichkeit bei gesicherter SMN1-Deletion 25% beträgt. Alternativen wie heterologe Insemination oder Präimplantationsdiagnostik müssen individuell besprochen werden bzw. sind für Deutschland nicht zugelassen.