Geburtshilfe Frauenheilkd 2006; 66 - PO_G_04_13
DOI: 10.1055/s-2006-952872

Klinisch-ethische Entscheidungsfindungen im Rahmen eines Ethikzirkels bei schwerwiegenden Pränataldiagnostik-Befunden

M Meyer-Wittkopf 1, P Spescha 1, E Cignacco 1, L Raio 1, DV Surbek 2
  • 1Universitäts-Frauenklinik Bern, Bern, Schweiz
  • 2Departement Klinische Forschung, Klinik für Frauenheilkunde, Universitätsspital Bern, Bern, Schweiz

Einleitung: Durch die Pränataldiagnostik können schwere Erkrankungen des Ungeborenen erkannt werden, die gar nicht oder nur begrenzt behandelbar sind und/oder mit schwersten körperlichen und geistigen Behinderungen einhergehen. Dies konfrontiert betroffene Paare und das sie betreuende Fachpersonal mit klinisch-ethischen Entscheidungsfindungen, die für alle aussergewöhnlich belastend und lebensgeschichtlich prägend sein können.

Material und Methoden: Um in derartigen Situationen bei der medizinisch-ethischen Entscheidungsfindung für alle Beteiligten Transparenz zu ermöglichen ist seit dem Jahr 2005 in der Universitäts-Frauenklinik Bern ein sog. Ethikzirkel implementiert. Dieser Ethikzirkel setzt sich aus ärztlichen und pflegerischen Vertretern der betroffenen Bereiche zusammen. Im Rahmen der Sitzungen werden bei Bedarf auch andere Fachrichtungen (Kinderkardiologie, Neonatologie, Neuropädiatrie) konsultiert, die Moderation des Gesprächs obliegt dem Spitalethiker.

Ergebnisse: Bisher wurde der Ethikzirkel in 9 Fällen einberufen (z.T. mehrere Besprechungen pro Fall). Von diesen 9 Fällen (1×17. SSW, 7×23–25 SSW, 1×28 SSW) kam es bei 6 Fällen zu einem SS-Abbruch, bei 3 zu einer Fortführung (in einem Fall mit postnataler Palliativpflege). Unabhängig von der Empfehlung des Ethikzirkels wird auf eine professionelle psychosoziale Begleitung des betroffenen Paares geachtet. Die Beteiligung der Pflege im Rahmen dieses Ethikzirkels führt u.a. dazu, dass sich niemand bei der Begleitung und Betreuung von Patientinnen mit Schwangerschafts-Spätabbrüchen auf die Ausführung einer beruflichen Pflicht reduziert empfindet.

Schlussfolgerung: Die Etablierung des Ethikzirkels hat seit seiner Einführung zu einer hohen Sensibilisierung um die ethischen Aspekte der Pränataldiagnostik geführt. Die ersten Erfahrungen zeigen, dass die medizinisch-ethische Entscheidungsfindung breiter abgestützt ist und somit auch zur Entlastung aller Beteiligten führt.