Aktuelle Neurologie 2006; 33 - P606
DOI: 10.1055/s-2006-953430

Postvaccinöse, akut disseminierte Enzephalomyelitis mit Besserung nach Plasmapherese

A. Rogalewski 1, T. Duning 1, E.B. Ringelstein 1, D.G. Nabavi 1, M. Hasselblatt 1, W.R. Schäbitz 1
  • 1Münster

Einleitung: Das Auftreten und die Bedeutung autoimmun-assoziierter Manifestationen nach Inokulation mit viralen Vakzinen werden in der Literatur kontrovers diskutiert [1]. Eine akut disseminierte Enzephalomyelitis (ADEM) ist eine seltene akute entzündliche ZNS-Erkrankung, die häufig 1–4 Wochen nach einer Infektion und sehr selten nach Impfungen auftreten kann. Zugrunde liegen autoimmun vermittelte Demyelinisierungen, die zu mulifokalen neurologischen Defiziten variablen Schweregrades führen können. Der Verlauf variiert von asymptomatischen Fällen bis zu fulminanten Verlaufsformen.

Fallbericht: Ein 46jähriger Patient stellte sich drei Wochen nach einer Hepatitis A- und B-Impfung (Twinrix) sowie Diphterie, Tetanus und Polio Impfung (Revaxis) mit allgemeinem Unwohlsein und Temperaturerhöhung vor. Im Verlauf erlitt er kognitive Störungen mit Vergesslichkeit und Halluzinationen sowie generalisierte, tonisch-klonische epileptische Anfälle. Klinisch neurologisch zeigten sich drei Monate später eine Hemiparese rechts, mnestische Störungen mit Orientierungs- und Merkfähigkeitsstörungen, eine Dysarthrie sowie eine schwere Dysphagie, so dass eine Tracheotomie und Beatmung notwendig wurden. Mehrfache Liquoranalysen inklusive mikrobiologischen und virologischen Untersuchungen waren unauffällig. Im zerebralen MRT zeigten sich multiple flächige Signalanhebungen links temporal, im FDG-PET eine fokale Stoffwechselsteigerung temporo-mesial links. Eine neuronavigierte offene Biopsie einer der Läsionen ergab eine unspezifisch-entzündliche Entmarkung ohne Anhaltspunkte für einen Tumor. Mehrfache Tumorsuchen zum Ausschluss einer paraneoplastischen Genese sowie die Bestimmung von Tumormarkern und speziellen Antikörpern blieben ohne wegweisenden Befund. Nach Kortisonstoßtherapie und einem Zyklus mit fünf Plasmapheresen kam es zu einer klinischen Besserung der Beschwerden.

Diskussion: Das Risiko einer demyelinisierenden Enzephalitis nach Impfung mit Hepatitis B Vakzine ist unbekannt. Ein direkter kausaler Zusammenhang durch Triggerung oder Immunpräzipitation kann in den meisten Fällen nicht bewiesen werden. Zur Behandlung ist eine immunmodulierende Therapie zu empfehlen [2].

Literatur:

1. Schattner A: Consequence or coincidence? The occurrence, pathogenesis and significance of autoimmune manifestations after viral vaccines. Vaccine 2005; 23: 3876–86.

2. Tourbah A et al.: Encephalitis after hepatitis B vaccination: recurrent disseminated encephalitis or MS? Neurology 1999; 53: 396–401.