Seit Mitte der 90er Jahre spielt evidenz-basierte Medizin in den Diskussionen um die
besten Behandlungsformen eine große Rolle. Die Wirksamkeit einer Therapie gilt nur
dann als nachgewiesen, wenn in entsprechenden Studien eine ausreichende Evidenz gezeigt
wurde. Zur Bewältigung der Fülle der zur Verfügung stehenden Informationen bieten
systematische Reviews die Möglichkeit, Informationen zu bündeln und einzelne Fragestellungen
kritisch zu bewerten. Auch in der Palliativmedizin haben die Patienten ein Recht auf
die bestmögliche Behandlung. Die Evidenz ist aber in vielen Bereichen der Symptomkontrolle
und Palliativbetreuung noch spärlich und unser Handeln häufig eher empirisch begründet.
Der Mangel an Evidenz in der Palliativmedizin hat viele Gründe: zunächst ist die Palliativmedizin
noch ein relativ junges Fach. In den ersten Jahren standen die Etablierung von Einrichtungen
und die Steigerung der Akzeptanz in Gesellschaft und Politik im Vordergrund. Forschung
hat erst in den letzen Jahren deutlich zugenommen. Darüber hinaus sind Palliativpatienten
eine sehr vulnerable Gruppe. Oft wird fälschlicherweise angenommen, dass Forschung
bei diesen Patienten in der letzten Lebensphase unethisch ist. Randomisiert kontrollierte
Studien gelten als der Goldstandard um Evidenz nachzuweisen, sind aber in der Palliativmedizin
oft nur unter erschwerten Bedingungen möglich, z.B. wegen der kurzen Lebensdauer der
Patienten, multipler Komorbiditäten oder hoher Ausfallraten. Trotzdem gibt es in der
Zwischenzeit eine Reihe sehr guter randomisierter Studien sowohl aus dem Bereich der
Symptomkontrolle als auch zu psychosozialen und organisatorischen Fragen. So gibt
es z.B. gute Evidenz für den Einsatz von Opioiden bei Atemnot, aber nur wenig Evidenz
für die WHO-Stufe 2 in der Schmerztherapie. Zur Behandlung von Übelkeit und Erbrechen
gibt es keine Evidenz für den differenzierten Einsatz von Antiemetika, wohingegen
es für den Einsatz von Steroiden bei gastrointestinaler Obstruktion einen Trend für
Evidenz gibt. Für palliativmedizinische Konsiliardienste sowohl im stationären als
auch ambulanten Bereich gibt es gute Evidenz dafür, dass die Symptomkontrolle verbessert
und die Zufriedenheit der Patienten mit der Betreuung erhöht wird. Kommunikationstrainings
zeigen eine gute Evidenz zur Verbesserung der Gesprächsführung, wobei für den Erhalt
der erworbenen Fähigkeiten zusätzliche Angebote notwendig sind. Auch wenn es für manche
Bereiche in der Palliativmedizin ausreichende Evidenz gibt, sind weitere Studien und
systematische Reviews notwendig.