Zeitschrift für Palliativmedizin 2006; 7 - A1
DOI: 10.1055/s-2006-959136

Häufigste Wechselwirkungen in der Palliativmedizin

E Beubler 1
  • 1Institut für experimentelle und klinische Pharmakologie der Medizinischen Universität Graz, Österreich

Das Risiko einer Arzneimittel (AM)-Interaktion steigt mit niedriger therapeutischer Breite, mit steilen Dosiswirkungskurven, mit Polypragmasie und mit Einschränkung der funktionellen Kapazität wichtiger Organe. AM-Interaktionen kommen zustande durch Beeinflussung der Pharmakokinetik, durch Beeinflussung der Pharmakodynamik und durch pharmazeutische Wechselwirkungen. Während bei Resorption und Verteilung nur wenige Interaktionen bekannt sind, hat das Wissen über die Bedeutung der Biotransformation von AM extrem zugenommen. Die meisten AM werden in der Leber durch das Cytochrom P450-Isoenzymsystem metabolisiert. AM können Substrat solcher Isoenzyme sein, können ihre Aktivität induzieren oder können sie hemmen. Während eine Induktion etwa zwei Wochen dauert, treten Hemmungen innerhalb weniger Tage auf. Das wichtigste Isoenzym ist das Cytochrom P450 3A4. Wichtige AM wie Calciumblocker, Statine, Benzodiazepine, Östrogene und Antiepileptika werden durch dieses Enzym abgebaut. Wird dieses Enzym durch diese AM induziert, kommt es zur Abnahme der Wirkung von Antikonzeptiva, Antikoagulanzien, Kortikosteroiden, Theophyllin, Betablockern und Midazolam. Z.B. führt die Einnahme von Carbamazepin zu einer drastischen Wirkungsverminderung von Midazolam – ein Eingriff wird bei vollem Bewusstsein erlebt. Wird Cytochrom P450 3A4 von Substanzen wie Clarithromycin, Erythromycin, Fluoxetin oder Fluvoxamin gehemmt, werden die als Substrate genannten AM langsamer abgebaut, und ihre Blutspiegel steigen in toxische Bereiche. Pharmakodynamische Interaktionen sind eher vorauszusehen wie z.B. die Hemmung der Wirkung von Beta-Mimetika durch Betablocker oder die Verstärkung der anticholinergen Nebenwirkung von Antidepressiva durch andere Parasympatholytika. In jüngster Zeit große Beachtung findet das so genannte Serotonin-Syndrom, das Ergebnis von Wechselwirkungen zwischen AM, die entweder die Wiederaufnahme von Serotonin aus dem synaptischen Spalt hemmen oder selbst serotonerge Wirkungen haben. Das Serotonin-Syndrom geht einher mit einer Reihe unspezifischer Symptome wie Fieber, Schüttelfrost, Zittern, Unruhe, Verwirrung, Muskelzuckungen, Übelkeit, Durchfall bis hin zur Nierenschädigung, Lebertoxizität und EKG-Veränderungen. Beobachtet wurde es bei Kombination von Triptanen (Migränemittel) mit MAO-Hemmern, Hypericum-Präparaten oder SSRIs. Bei der Kombination von Tramadol mit SSRIs aber auch anderen Opiaten wie Oxycodon und Hydromorphon und bei der schon erwähnten Kombination von Esomeprazol mit Citalopram. Die Liste von möglichen Interaktionen, sei es pharmakokinetischer, sei es pharmakodynamischer Natur, ist unendlich und zwingt förmlich zu einer sorgfältigen Arzneitherapie mit möglichst wenigen Arzneimitteln.