Zeitschrift für Palliativmedizin 2006; 7 - A4
DOI: 10.1055/s-2006-959139

Stärkung der inneren Achtsamkeit bei Helfenden

ME Harrer 1
  • 1FA für Psychiatrie und Neurologie, Psychotherapeut (Katathym imaginative Psychotherapie, Hypnosepsychotherapie und HAKOMI), Supervisor (ÖVS, ÖBVP), Innsbruck, Österreich

„Innere Achtsamkeit“, definiert als das bewusste, nicht wertende Beobachten gegenwärtiger innerer Vorgänge (Körperempfindungen, Gefühle, Gedanken, Bilder, Erinnerungen, Stimmungen), hat auf spirituellen Wegen eine Jahrtausende alte Tradition (Thich-Nhat-Hanh). Die moderne Psychotherapie hat Achtsamkeit als Schlüssel zur Selbsterforschung (HAKOMI-Therapie, R. Kurtz), zur Stressbewältigung (J. Kabat-Zinn), zur Depressionsbekämpfung bzw. -rückfallprophylaxe und für die Therapie von Borderline-Störungen (Linehan) wiederentdeckt.

Im Kontext von Sterbebegleitung kann Achtsamkeit zu einer für Sterbende wohltuenden Präsenz der Begleiter führen und verhilft zu einer Haltung von Gelassenheit und Akzeptanz dessen, was beim Sterbenden und bei den Helfenden selbst gegenwärtig ist. Durch Übung bewusster Aufmerksamkeitslenkung können eigene Grenzen früher erkannt und bewusstes Auftanken ermöglicht werden. Beides kann zu einer Burn-out-Prophylaxe beitragen.

Neben den Wurzeln von Achtsamkeit werden auch neue neurobiologische Untersuchungen erläutert und Querverbindungen zu den Modellen der Ego-states (Watkins), der „Inneren Familie“ (Schwartz) und des „Inneren Teams“ (Schultz von Thun) hergestellt.

Förderung der internen Kommunikation, „Integration von Schattenanteilen“, Disidentifikation und die Stärkung des „inneren Beobachters“ werden als Wege zur Persönlichkeitsentwicklung und -reifung dargestellt, welche auch in transpersonale Bereiche führen können.

Ein Verständnis dieser Prozesse kann als Vorbereitung auf den Tod sowohl für den Begleiter selbst als auch in der Begleitung Sterbender hilfreich sein.