Zusammenfassung
Ziel des 1. Interdisziplinären Frankfurter Gespräches war es, neue Aspekte der Anwendung
oraler Sexual-steroide aus der Sicht der gynäkologischen und neurologischen Fachdisziplinen
zu erarbeiten. Insbesondere bei der Behandlung der Epilepsien, der multiplen Sklerose,
der Migräne und des Schlaganfalls konnten Einflüsse der Sexualsteroide auf die Entstehung
und den Verlauf der Erkrankung beobachtet werden. Bei der Behandlung von Patientinnen
mit Epilepsie muss beachtet werden, dass Östrogene prokonvulsiv und Progesteron antikonvulsiv
wirken. Durch die Antikonvulsiva Carbamazepin, Phenytoin, Phenobarbital, Primidon,
Topiramat, Oxcarbazepin und Felbamat werden orale Kontrazeptiva verstärkt inaktiviert.
Zur Vermeidung von unerwünschten Schwangerschaften empfiehlt sich die Einnahme eines
Kontrazeptivums mit hoher Ovulations-hemmdosis des Cestagenanteils. Demgegenüber vermindert
die Einnahme von Valproinsäure, Lamotrigin, Tiagabin, Gabapentin, Vigabatrin, Ethosuximid
oder Benzodiazepinen nicht die kontrazeptive Wirksamkeit. Bei menstruationsgebundener
Epilepsie, wie auch Migräne wird das verstärkte Auftreten von epileptischen Anfällen
oder Migräneattacken hauptsächlich auf den zyklischen Abfall des Östrogens zurückgeführt.
Entstehung und Verlauf der multiplen Sklerose werden durch Ovulationshemmer nicht
beeinflusst. Ein günstiger Einfluss der Schwangerschaft auf die Schubrate und Progression
wurde in kleineren Patientinnengruppen beobachtet. Postpartal kommt es tendenziell
eher zu einer Zunahme der Schubrate. Das Risiko, einen ischämischen Schlaganfall oder
eine intrazerebrale Blutung zu erleiden, ist bei jungen Frauen durch die Einnahme
von niedrig dosierten Ovulationshemmern nicht sicher erhöht. Demgegenüber scheinen
unter der Behandlung mit oraler Kontrazeptiva zerebrale Sinusvenenthrombose häufiger
aufzutreten. Bei Patientinnen mit Migräne ist das Schlaganfallrisiko erhöht und wird
durch die Einnahme von Ovulationshemmern weiter gesteigert.
Summary
During the first Frankfurt interdisciplinary workshop which took place in June 1999,
neurologists, endocrinologists and gynaecologists discussed the effects of sex steroids
on neurological diseases. The following observations were considered essential: In
women with epilepsy oestrogens may act proconvulsively and progestogens anticonvulsively.
The contraceptive efficacy may be considerably reduced by comedication with carbamazepine,
phenytoin, phenobarbital, primidone, topiramate, oxcarbazepine and felbamate, which
may increase inactivation of contraceptive steroids by enzyme induction in the liver.
To prevent unwanted pregnancies, an oral contraceptive containing a progestogen with
high ovulation inhibitory potency should be preferred. Valproic acid, lamotrigine,
tiagabine, gabapentin, vigabatrin, ethosuximide or benzodiazepines do not significantly
interact with oral contraceptives. In menstruation-associated epilepsy as well as
migraine the increase of seizure frequency or migraine-attacks is mainly attributed
to the cyclic drop of oestrogens. Manifestation and the course of multiple sclerosis
are not substantially affected by sex steroids. However, a favourable course of the
disease during pregnancy and re-exacerbation after delivery have been observed. The
risk of ischaemic insult or intracranial haemorrhage is not substantially increased
in women who previously took or presently take oral contraceptives. In women with
migraine the risk of stroke is elevated. It is further increased risk of cerebral
venous thrombosis in women using oral contraceptives.