Dtsch Med Wochenschr 1998; 123(31/32): 936-940
DOI: 10.1055/s-2007-1024101
Kasuistiken

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Das »Nußknacker-Syndrom« der Vena renalis (Arteria-mesenterica-superior-Syndrom) als Ursache gastrointestinaler Beschwerden

Compression of the left renal artery (»nutcracker syndrome«) as a cause of gastrointestinal symptomsPh. Hilgard1 , K. Oberholzer2 , K.-H. Meyer zum Büschenfelde1 , R. Hohenfellner3 , G. Gerken1
  • 1I. Medizinische Klinik und Poliklinik (Direktor: Prof. Dr. Dr. K.-H. Meyer zum Büschenfelde) der Johannes Gutenberg-Universität Mainz
  • 2Klinik für Radiologie (Direktor: Prof. Dr. M. Thelen) der Johannes Gutenberg-Universität Mainz
  • 3Urologische Klinik und Poliklinik (Direktor: Prof. Dr. R. Hohenfellner) der Johannes Gutenberg-Universität Mainz
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
25. März 2008 (online)

Zusammenfassung

Anamnese und klinischer Befund: Ein 22jähriger Patient klagte seit seinem 20. Lebensjahr über intermittierend auftretende Bauchschmerzen, Stuhlunregelmäßigkeiten sowie paroxysmale Tachykardien. Vorerkrankungen waren außer einer einmalig aufgetretenen Eisenmangelanämie nicht bekannt. Eine Laparoskopie, die etwa 8 Monate nach Beginn seiner Beschwerden durchgeführt worden war, zeigte ein entzündetes Meckel-Divertikel, welches daraufhin operativ entfernt wurde. Nach vorübergehender Besserung, traten die Beschwerden 5 Monate nach der Operation erneut auf. Bei der Aufnahme in unsere Klinik zur erneuten Abklärung der abdominellen Symptomatik fanden sich außer einem diskreten abdominellen Druckschmerz keine weiteren klinischen Auffälligkeiten bei dem Patienten.

Untersuchungen: Die klinisch-chemischen Routineuntersuchungen und die endoskopische Diagnostik ergaben keinen pathologischen Befund. Bei der abdominellen Computertomographie ergab sich der Verdacht auf eine hochgradige Einengung der linken Vena renalis durch die überkreuzende Arteria mesenterica superior. Konsekutiv waren die linke Vena testicularis und das peripelvine Venengeflecht im kleinen Becken durch die retrograde Stauung deutlich dilatiert. Damit ergab sich der hochgradige Verdacht auf ein »Nußknacker-Syndrom« der Vena renalis sinistra. Die Diagnose wurde mit der selektiven Nierenvenenphlebographie und -druckmessung bestätigt.

Therapie und Verlauf: Die Gefäßanomalie wurde chirurgisch korrigiert, indem die Vena renalis sinistra an ihrer Einmündung in die untere Hohlvene abgesetzt und etwa 3-4 cm weiter kaudal reimplantiert wurde. Der Patient ist seitdem völlig beschwerdefrei.

Folgerungen: Das »Nußknacker-Syndrom« der Vena renalis gehört zu den seltenen Ursachen einer Hämaturie. Der Zusammenhang dieser angeborenen Anomalie mit gastrointestinalen Beschwerden ist bisher nicht beschrieben. Angesichts des klinischen Verlaufs mit anhaltender Beschwerdefreiheit nach operativer Dekompression der Vena renalis ist es aber denkbar, daß die durch den Blutrückstau stark erweiterten splanchnischen Venen die Beschwerden des Patienten mitverursacht haben.

Abstract

History and clinical findings: Since the age of 19 a now 22-year-old man had complained of intermittent abdominal pain, irregular stools and paroxysmal tachycardia. The only preceding illness had been a single episode of iron-deficiency anemia. A laparoscopy, done 8 months after the onset of symptoms, had revealed an inflamed Meckel's diverticulum which was surgically removed. After transient improvement the symptoms recurred 5 months postoperatively. On admission to clarify the cause of the symptoms he had discrete abdominal pain on pressure, but physical examination was otherwise unremarkable.

Investigations: Routine biochemical tests and endoscopy were normal. Abdominal computed tomography was suspicious of severe narrowing of the left renal artery by a crossing superior mesenteric artery. As a result the left testicular vein and the peripelvic venous network were markedly dilated by retrograde congestion, strongly suggesting the »nutcracker syndrome« of obstruction of the left renal vein. This diagnosis was confirmed by selective renal phlebography and pressure measurement.

Treatment and course: The vascular anomaly was corrected surgically by reimplanting the left renal vein into the inferior vena cava 3-4 cm further caudally. The patients has been completely symptom-free since then.

Conclusions: The nutcracker-syndrome is a rare cause of hematuria. The coexistence of this anomaly with gastrointestinal symptoms has not been previously described, but it is likely that congestion of the splanchnic veins by obstruction of the left renal vein was at least partly responsible for them, in view of the postoperative relief.

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