Z Gastroenterol 2007; 45 - A5_24
DOI: 10.1055/s-2007-967914

„Vanishing Bile Duct Syndrome“ (VBDS), eine seltene, letale Arzneimittelnebenwirkung

BK Straub 1, U Merle 2, J Encke 2, W Rexroth 3, W Rexroth 4, P Schirmacher 1
  • 1Pathologisches Institut der Universität Heidelberg, Heidelberg, Heidelberg
  • 2Innere Medizin IV, Universitätsklinikum Heidelberg, Heidelberg
  • 3Krankenhaus St. Vincentius, Heidelberg
  • 4Krankenhaus St. Vincetnius, Heidelberg

Ein sog. Gallengangsverlustsyndrom („Vanishing Bile Duct Syndrome“ oder kurz VBDS) ist eine schwergradige, potentiell letale cholestatische Lebererkrankung, definiert durch den progressiven Verlust der kleinen intrahepatischen Gallengänge; es ist außerhalb der Transplantation und meist angeborener kindlicher Erkrankungen sehr selten und ohne Leberbiopsie nicht zu erfassen. Als weitere Ursache kommen Medikamente (Chlorpromazin, Ajmalin, Arsenderivate, und selten auch Carbamazepin) in Frage. Wir berichten über den Fall eines intra vitam diagnostizierten, letztendlich letalen VBDS infolge Carbamazepin-Therapie.

Ein 59 Jahre alter männlicher Patient entwickelte wenige Wochen nach Beginn einer Carbamazepin-Therapie (wegen Grand-Mal-Anfall) eine chronisch-progrediente cholestatische Symptomatik unklarer Genese. Die folgende Leberbiopsie zeigte eine sog. extraazinäre Cholestase bedingt durch den hochgradigen Verlust der kleinen Gallengänge entsprechend einem Gallengangsverlustsyndrom (VBDS). Der weitere Verlauf war protrahiert mit einem cholestatischen Leberversagen und letztendlichem Multiorganversagen. In der Autopsie wurde das VBDS bestätigt, wobei weitere wesentliche Grunderkrankungen ausgeschlossen werden konnten. Carbamazepin, eine den Phenothiazinen bzw. trizyklischen Antidepressiva verwandte Substanz, gehört zu den wenigen Medikamenten, für die eine chronisch-cholestatische Schädigung mit Entwicklung eines VBDS bereits in wenigen Fällen berichtet wurde (z.B. Forbes et al., 1992; Desmet, 1997). Aufgrund der zeitlichen Beziehung, der Kongruenz von berichtetem Schädigungsbild und den vorliegenden Veränderungen und dem Fehlen anderer möglicher Ursachen ist daher im vorliegenden Fall mit hinreichender Sicherheit vom sehr seltenen Fall eines letztendlich letalen, Carbamazepin-induzierten Leberschadens in Form eines VBDS auszugehen.

Bei Carbamazepin-Gabe sollten nach Beginn der Therapie die Cholestaseparameter überwacht werden und bei persistierender Erhöhung in Zusammenhang mit der Therapie auch die Entstehung eines VBDS in Betracht gezogen und ggf. bioptisch abgeklärt werden.

Literatur: Forbes, GM, Jeffrey, GP, Shilkin, KB und Reed, WD (1992) Carbamazepine hepatotoxicity: another cause of the vanishing bile duct syndrome. Gastroenterology: 102:1385-1388.
Desmet, VJ (1997) Vanishing bile duct syndrome in drug-induced liver disease. J. Hepatol.: 26:31-35.