Zusammenfassung
Die demografischen und gesellschaftlichen Veränderungen der letzten Jahrzehnte haben
für Frauen und Männer neue Realitäten geschaffen. Obwohl von „Feminisierung des Alters”
gesprochen werden kann - mit zunehmendem Alter steigt der Anteil der Frauen an der
Gesamtbevölkerung - sind genderspezifische Ansätze in der gerontologischen Forschung
eher rar. Eine Mehrheit geriatrischer und gerontologischer Studien orientierte sich
bis vor wenigen Dekaden noch an männlichen Standards. Auch wenn in der Folge die Geschlechtsvariable
zunehmend in die Untersuchungen einbezogen wurde, war es zumeist bloß das biologische
Geschlecht. Entsprechend unklar und widersprüchlich präsentiert sich der Status quo
der Forschung. Haben alte Frauen tatsächlich mehr gesundheitliche und psychische Probleme
als Männer oder handelt es sich hier nur um einen Genderbias, wonach Frauen ein anderes
Verständnis von Gesundheit und Krankheit haben als Männer? Ist die Inzidenz, an Alzheimerdemenz
zu erkranken, für alte Frauen tatsächlich höher als bei Männern oder ist dies nur
eine logische Folge ihrer längeren Lebenserwartung? Mit welchen gesundheitlichen und
psychischen Kosten ist die Tatsache verbunden, dass viele Frauen bereits ab dem mittleren
Lebensalter die Hauptpflegepersonen ihrer Väter, Schwiegerväter und Partner sind?
Diese Fragen sind Gegenstand des vorliegenden Beitrages. Es wird aufgezeigt, dass
der Einbezug des sozialen Geschlechts (Gender) eine Notwendigkeit ist, um valide Aussagen
zu Gesundheit und Gesundheitsverhalten von Frauen und Männern im Alter machen zu können.
Abstract
In past decades demographic and social changes have created new realities for women
and men. Although the ratio of women increases with age, a gender-specific approach
in gerontologic research is rare. In the last decades the majority of geriatric and
gerontologic studies have focussed on men. In the following years the female gender
was increasingly considered. However, the focus was on the sex rather than considering
other influencing aspects. Thus, the results were unclear and inconsistent. Have older
women more health and psychological problems than men? Or can this be explained by
a different gender-specific perception of health and disease? Have women a higher
risk than men to develop Alzheimer's disease or is this due to the longer life expectancy
of women? What are the health and psychological consequences for women who start caring
for their fathers, fathers-in-law, and for their partners from the middle of their
life? These issues are raised in this article. It will be demonstrated that it is
necessary to consider the social environment to determine the health and health seeking
behaviour of men and women reliably.
Schlüsselwörter
Frauen - Ageism - Well-Aging
Key words
women - ageism - well-aging
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Prof. Dr. Pasqualina Perrig-Chiello
Institut für Psychologie, Universität Bern
Muesmatttstraße 45
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