ZWR - Das Deutsche Zahnärzteblatt 2007; 116(7/08): 323
DOI: 10.1055/s-2007-986160
Editorial

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Schöne Ferien - weg, und doch da

Cornelia Gins
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Publication Date:
20 August 2007 (online)

Endlich Ferien! Als Kind waren die Sommerferien nicht einfach nur die „großen Ferien”. Sie schienen am Anfang jedes Mal wie eine wunderbare Verheißung - so, als könnte dieser Zustand der großen Freiheit den Sommer ins schier Unendliche dehnen.

Nun reisen Sie also wieder. Die Mehrheit von Ihnen ins Ausland. Weit und billig ist der Trend. Doch obwohl so viel gereist wird, schrumpft das große Abenteuer der Ferien. Früher wollte der Reisende in der Ferne das Fremde, Andersartige entdecken. Heute werben Reiseveranstalter damit, dass sich der Gast am Urlaubsort wie zu Hause fühlen kann: gewohnter Komfort, heimisches Frühstücksbuffet und deutsches Satellitenfernsehen. Die Hotels der Mittelklasse sehen von Malle bis Thailand, von Domrep bis zum roten Meer ähnlich aus, und für viele Gäste, die am Pool sonnenbaden, bleibt das reale Meer außen vor. Man ist zwar fort, bleibt aber doch da.

Natürlich gibt es daneben Millionen von Menschen, die Länder und Leute, Kulturen und Mentalitäten für sich mit Neugier erkunden wollen. Doch auch sie reisen einer vergangenen Exotik hinterher, denn selbst ihre abseitigeren Pfade sind tief ausgetreten. Sogar auf dem Mount Everest wird es unter den organisierten Gipfelsteigern bisweilen eng. Allein die Tiefsee gilt unter den erfahrenen Globetrottern noch als weitgehend unberührter Weltteil: Dorthin reicht kein digitales Netz, kein Handy funktioniert. Zwischen Berufs- und Privat-sphäre haben die neuen Medien die Grenzen längst verwischt: Wer seine E-Mails weltweit abruft, wer noch aus dem Dschungel in Echtzeit kommuniziert, also überall erreichbar ist, der ist auch nie mehr richtig verreist.

Die Beschleunigung der Verkehrsmittel und die mediale Allgegenwärtigkeit haben das Reisen inflationiert und entzaubert. Wahrscheinlich ist deswegen das Buch „Ich bin dann mal weg” von Hape Kerkeling so ein großer Erfolg: nur mit dem Nötigsten, mit Stock statt Handy, auf dem Pilgerpfad den Gegenzauber suchen und zu sich selbst finden. Doch selbst auf diesen Pilgerpfaden ist der Reisende ein Tourist.

Mal Urlaub machen wie früher: ohne Handy, E-Mail und Satellitenfernsehen. Einfach nur die freie Zeit genießen. Vielleicht mit einem guten Buch. Neben Harry Potter empfiehlt sich immer wieder Schloss Gripsholm von Tucholsky - und natürlich die ZWR.

Schöne Ferien, die wünsche ich Ihnen.

Dr. med. dent. Cornelia Gins

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