Z Gastroenterol 2007; 45 - A_30
DOI: 10.1055/s-2007-992723

Persistierende Diarrhoen bei einem 60-jährigen Mann

V Vehling 1, KD Schmidt 1, U von Streitberg 1, G Seitz 1, M Sackmann 1
  • 1II. Medizinische Klinik und Inst. für Pathologie, Klinikum der Sozialstiftung Bamberg, Akademisches Lehrkrankenhaus der Universität Erlangen-Nürnberg.

Anamnese:

60-jähriger Patient wegen Gewichtsverlust und Diarrhoe eingewiesen.

Pat. berichtete über Leistungsknick, Appetitlosigkeit, seit 6 Wochen bestehende Diarrhoen mit Stuhlfrequenzen bis zu 10-mal täglich ohne Schleim- oder Blutbeimengungen und Gewichtsverlust von 8kg.

Drei Jahre zuvor war auswärtig eine Sarkoidose mit multiplen Lymphknotenschwellungen und Arthralgien vermutet worden, histologisch mit epitholoidzelligen Granulomen. Unter Prednisolon Gelenkbeschwerden zurückgebildet, Entzündungparameter unverändert. Methotrexattherapie wegen Verschlechterung des AZ mit Hypoxämie bei Alveolitis abgesetzt.

Bei Z.n. 3-Etagen-Thrombose vor 2 Jahren und unklarer konstanter Entzündungsreaktion mit erhöhtem CRP war eine Therapie mit Phenprocoumon fortgeführt worden.

Befunde

Kachektischer Patient, Gelenke frei. Neurologische Defizite bestanden nicht.

Arbeitsdiagnose „chronische Diarrhoe unklarer Genese mit Malassimilationssyndrom“.

Stuhlproben ohne pathologischen Befund für Keime und Parasiten. Sonographisch wandverdickte Dünndarmschlingen mit diskreter Aszitesbildung.

Endoskopisch zeigte sich eine ausgeprägte Lymphangiektasie des gesamten einsehbaren Dünndarms. Die Biopsate aus dem Duodenum und dem terminalen Ileum wiesen einen hochgradigen Befall mit Tropheryma Whipplei-Bakterien auf.

MR des Cranium unauffällig. Liquor positiv für Tropheryma whipplei-DNA in der PCR. Somit war ein zentraler Befall des Morbus Whipple ohne Klinik festzustellen.

Procedere

Der Patient erhielt eine liquorgängige, antibiotische, intravenöse Therapie mit Cefuroxim und Streptomycin. Zudem wurde eine supportive Therapie zum Ausgleich des Eisen- und Eiweißmangels durchgeführt.

Unter der antibiotischen Therapie kam es innerhalb von 3 Tagen zu einer Normalisierung der Stuhlfrequenz auf 1–2 geformte Stuhlgänge pro Tag. Der Patient wurde in stabil mit Dauermedikation von Cotrimoxazol 2x pro Tag entlassen.

Diskussion

Die Whipple-Erkrankung wurde bereits 1907 beschrieben, aber erst im Jahr 2000 wurde das verursachende Bakterium Tropheryma whipplei nachgewiesen. Bisher sind weltweit erst etwa 1000 Fälle beschrieben worden.

Im Prodromalstadium, das bis zu 6 Jahre dauern kann, leiden die meisten Betroffenen unter Gelenkschmerzen und Arthritis. Bei immunsuppressiver Behandlung, wie z.B. Behandlung mit Kortikosteroiden kann der Verlauf beschleunigt sein. Es gibt Fallbeschreibungen von Exacerbation eines Morbus Whipple unter Methotrexattherapie, welche unter dem falschen Verdacht einer Sarkoidose begonnen wurde. Ein Morbus Whipple kann in Einzelfällen unter dem klinischen Bild einer pulmonalen oder kutanen Manifestation verlaufen und dem Auftreten der gastrointestinalen Symptome um Jahre vorausgehen. Somit muss retrospektiv die Verdachtsdiagnose der Sarkoidose 2004 bei unserem Patienten mit dem atypischen Verlauf, dem histologischen Befund mit epitholoidzelligen Granulomen vom Sarkoidosetyp, sowie der klinischen Verschlechterung unter MTX kritisch gesehen werden und kann auch als Prodromalstadium des Morbus Whipple gesehen werden.

Die Diagnose wird mittels Biopsie aus dem befallenen Organ unter mikroskopischer Untersuchung nach PAS-Färbung gestellt. Mit der PCR lässt sich die DNA der Bakterien spezifisch nachweisen.

Die Erkrankung verläuft ohne Therapie tödlich. Trimethoprim-Sufamethoxazol scheint das wirksamste Antibiotikum zu sein, es sollte 1–2 Jahre p.o. genommen werden, nachdem zuvor parenteral mit Streptomycin und Ceftriaxan für 2 Wochen anbehandelt wurde. Unser Patient war bereits wenige Tage nach Therapiebeginn und seither anhaltend beschwerdefrei.