Abstract
Starting from the original concept of "dementia praecox", in this article, the ICD10
and DSM-IV revisions of their respective definitions of schizophrenia are made more
transparent and evaluative in regards to their development. For the ICD 10 definition,
the schizophrenia concept of K. Schneider and its characteristic orientation towards
diagnostic validity had a pre-eminent impact, whereas in DSM-IV the authors intended
to follow the schizophrenia concept of E. Bleuler and thereby aimed at placing greater
emphasis on the negative symptomatology. However, the results of the revision of schizophrenic
disorders of this diagnostic system surprisingly leaned again towards the concept
of K. Schneider. With regard to own findings on the diagnostic validity of positive
and negative symptoms, it is shown that this result is justified in accordance with
the present state of the art in schizophrenia research. In addition, the article deals
with the definitions of schizotype features, prodromal and residual symptoms in these
new diagnostic systems and critically evaluates these elements. To sum up it is clear
that the recent definitions are based on the German psychopathological tradition on
the one hand and the empirical findings of the last centuries on the other. Taking
the latter into account, this might lead to a new understanding of schizophrenic disorders
in the future.
Zusammenfassung
In diesem Beitrag wird vom Ursprungskonzept der ,,Dementia praecox" ausgegangen, um
die deflatorischen Neufassungen der schizophrenen Störung in der ICD-10 und im DSM-IV
in ihrer jeweiligen Entwicklung durchsichtig und beurteilbar zu machen. Dabei zeigt
sich zunächst, daß für die ICD-10-Definition noch weitgehend K. Schneiders Schizophreniekonzept
und die hierfür bezeichnende Orientierung an diagnostischer Validität bestimmend geblieben
ist. Dagegen sollte in der DSM-IV-Definition nach der Absicht der maßgeblichen Initiatoren
E. Bleulers Schizophreniekonzept mehr Berücksichtigung finden und dementsprechend
die Negativsymptomatik stärker betont werden als bisher. Im Ergebnis kam aber überraschenderweise
auch in diesem Diagnosesystem wieder eine noch weitgehend durch K. Schneiders Symptomatologie
geprägte Neufassung der schizophrenen Störungen heraus. Daß dies beim heutigen Stande
der Schizophrenieforschung als sachlich gerechtfertigt gelten kann, wird in dem Beitrag
auch anhand eigener Befunde zur diagnostischen Validität der positiven und der negativen
Symptome gezeigt. Des weiteren nimmt die Darstellung insbesondere auch auf die Bestimmungen
der Prodromal- und Residualsymptome sowie der Schizotypiemerkmale in den neuen Diagnosesystemen
Bezug und unterzieht diese Elemente der Definitorik einer kritischen Würdigung. Insgesamt
wird deutlich gemacht, daß die aktuellen Definitionen einerseits noch klar auf dem
Boden der deutschsprachigen psychopathologischen Tradition stehen, auf der anderen
Seite aber auch den empirischen Forschungsergebnissen der letzten Jahrzehnte Rechnung
tragen und in der Zukunft zu einem neuen Verständnis schizophrener Störungen hinführen
könnten.