Fortschr Neurol Psychiatr 1995; 63(2): 59-67
DOI: 10.1055/s-2007-996603
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Akinetischer Mutismus - eine Literaturübersicht

Akinetic Mutism - A ReviewH.  Ackermann1 , W.  Ziegler2
  • 1Neurologische Klinik der Universität Tübingen
  • 2Entwicklungsgruppe Klinische Neuropsychologie, Abteilung Neuropsychologie, Städtisches Krankenhaus München-Bogenhausen
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Publication History

Publication Date:
10 January 2008 (online)

Abstract

Cairns and coworkers (1941) introduced the term "akinetic mutism" to denote a syndrome characterised by lack of responsiveness in the presence of apparently preserved vigilance. The present paper reviews clinical data as well as results of animal experimentation to outline the functionalneuroanatomic basis of this constellation.

The clinical literature following the original publication of Cairns et al. (1941) reported syndromes of "akinetic mutism" in bilateral mesodiencephalic or frontal lesions of various aetiology. At least two pathomechanisms of akinetic mutism can be differentiated: (a) reduced "arousal" of cortical functions due to lesions at or rostral to the mesodiencephalic junction; (b) impaired activation of the motor system following bilateral damage to the frontal lobes. Since perceptual and cognitive functions are disturbed as well in mesodiencephalic akinetic mutism, the latter notion does not seem to be adequate. The terms "apallic syndrome" or "vegetative state" are rather more appropriate in these instances. The label "akinetic mutism" can then be restricted to a pathophysiologically distinct syndrome, i.e. reduced motor activation following bilateral frontal damage.

Zusammenfassung

Der Begriff des akinetischen Mutismus wurde 1941 von Cairns u. Mitarb. eingeführt. Das so bezeichnete Syndrom ist durch den Eindruck erhaltener Vigilanz bei (weitgehend) fehlenden - spontanen und reaktiven - Verhaltensäußerungen charakterisiert. In der klinischen Literatur finden sich akinetisch-mutistische Konstellationen beschrieben bei bilateralen mesodienzephalen und frontalen Läsionen. Der erstgenannten Variante dürfte vor allem eine Beeinträchtigung des kortikalen "arousal" infolge einer Unterbrechung der retikulothalamischen Bahnen bzw. der unspezifischen thalämokortikalen Projektionen zugrunde liegen. Neben motorischen Leistungen ist somit auch die Aktivierung perzeptiver und kognitiver Funktionen betroffen. Der Eindruck von Wachheit entsteht dadurch, daß bei Läsionen in Höhe oder rostral des mesodienzephalen Übergangsbereichs die Verbindungen der retikulären Formation zu den okulomotorischen Kernen intakt bleiben. Der frontale akinetische Mutismus stellt demgegenüber am ehesten die ausgeprägteste Form einer Antriebsstörung nach bilateraler Schädigung des medialen Frontallappens bzw. des frontalen Marklagers dar.

Da Patienten mit gestörtem "arousal" der Hirnrinde nach mesodienzephaler Läsion auch eine Beeinträchtigung perzeptiver und kognitiver Leistungen aufweisen, umfaßt die Bezeichnung ,,akinetischer Mutismus" nur einen Teilaspekt der Symptomatologie. Deshalb dürfen ,,apallisches Syndrom" oder "vegetative state" in diesem Zusammenhang als die angemesseneren Begriffe gelten. In Anbetracht dieser Überlegungen erscheint es sinnvoll, den Terminus ,,akinetischer Mutismus" auf das pathophysiologisch distinkte Syndrom einer Störung des motorischen Antriebs bzw. der Bewegungsinitiierung nach bilateraler frontaler Läsion einzugrenzen.

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