Fortschr Neurol Psychiatr 1995; 63(7): 270-276
DOI: 10.1055/s-2007-996626
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Behandlung von Depressionen mit Schlafentzug und Schlafphasenvorverlagerung

Treatment of Depressions by Sleep Deprivation and Advance of the Sleep PhaseD.  Riemann , J.  Vollmann , F.  Hohagen , H.  Lohner , Almut  König , C.  Faller , N.  Edali , M.  Berger
  • Psychiatrische Klinik der Universität Freiburg
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
10. Januar 2008 (online)

Abstract

Total sleep deprivation (TSD) exerts beneficial but only transient effects on mood in approximately 60 % of the patients with a major depressive disorder (MDD). The positive effect of TSD is generally reversed after the next night of sleep. A pilot study of our group indicated that a consecutive one week phase advance of the sleep phase stabilized mood in more than half of the patients who responded to TSD. However, the majority of patients in our pilot study had been treated concomitantly with antidepressive medication. To exclude a possible synergistic effect of simultaneous antidepressive medication and the sleep-wake manipulation in the present study eleven medicated and sixteen drug-free depressed patients were investigated. In two thirds of the patients relapse into depression after successful TSD could be prevented. This effect seemed to be independent of adjunct antidepressant pharmacotherapy. Ten of these patients were studied polysomnographically prior to and during the treatment. Data analysis revealed that during the advance of the sleep phase no prolonged partial sleep deprivation took place. At the end of the study REM % had even increased and REM latency was still short in spite of clinical improvement, thus contradicting the assumption that REM sleep suppression is a necessary prerequisite for antidepressive therapy.

The results support the hypothesis of a "critical phase" in the morning hours during which sleep can reinduce depressive mood and, vice versa, prevention of sleep during this time may act antidepressively.

Zusammenfassung

Etwa zwei Drittel aller Patienten mit einer Major-Depression (MDD) sprechen auf eine Behandlung mit Schlafentzug an. Der Effekt des Schlafentzugs ist jedoch in der Regel nur kurzfristig und wird meist durch den darauffolgenden Nachtschlaf aufgehoben. In einer Pilotstudie konnten wir zeigen, daß eine konsekutive Schlafphasenvorverlagerung nach Schlafentzug bei der Hälfte der Patienten, die auf den Schlafentzug angesprochen hatten, den Schlafentzugseffekt stabilisiert. In dieser ersten Studie waren die meisten der Patienten jedoch simultan mit Antidepressiva während der chronobiologischen Manipulation behandelt worden, so daß ein synergistischer Effekt zwischen der Schlaf-Wach-Manipülation und der Antidepressivabehandldung nicht ausgeschlossen werden konnte. In einer weiteren Studie wurden deshalb 27 Patienten mit demselben experimentellen Procedere untersucht, wobei jedoch 16 Patienten während der Untersuchung medikamentenfrei waren. Zwei Drittel der Patienten konnten durch die Schlafphasenvorverlagerung nach erfolgreichem Schlafentzug stimmungsmäßig stabilisiert werden, und der therapeutische Effekt der Schlafphasenvorverlagerung erwies sich als unabhängig von einer simultanen antidepressiven Behandlung. Zehn Patienten in dieser Untersuchung wurden polysomnographisch vor und während der Behandlung im Schlaflabor untersucht. Die Datenauswertung zeigte, daß es während der Vorverlagerung der Schlafphase nicht zu einem prolongierten partiellen Schlafentzug kam. Gegen Ende der Studie nahm der REM-Schlafanteil sogar zu, und die REM-Latenz war bei einigen Patienten trotz deutlicher klinischer Besserung noch sehr kurz. Diese Ergebnisse sprechen gegen die Annahme, daß die REM-Schlafsuppression eine notwendige Vorbedingung für antidepressive Therapie ist.

Unsere Ergebnisse unterstützen die Hypothese einer ,,kritischen Phase" in den Morgenstunden, während der Schlaf depressive Stimmung verstärken kann und vice versa, die Verhinderung von Schlaf während dieser Zeit antidepressiv wirksam ist.

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