Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 1994; 29(6): 330-337
DOI: 10.1055/s-2007-996754
Originalien

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Topographische Änderungen der hirnelektrischen Aktivität nach Prämedikation mit Flunitrazepam

Topographic Changes of Cerebral Electrical Activity after Premedication with FlunitrazepamB. Zickmann, J. Boldt, K. Wulf, H. C. Hofmann, A. Thiel, G. Hempelmann
  • Abteilung Anästhesiologie und Operative Intensivmedizin der Justus-Liebig-Universität Gießen
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Publication Date:
22 January 2008 (online)

Zusammenfassung

Ziel und Methodik: Zur Darstellung der Wirkung von Flunitrazepam bzw. Flunitrazepam plus Morphin auf die hirnelektrische Aktivität wurde die computerunterstützte topographische Elektroenzephalometrie (CATEEM) eingesetzt.

Ergebnisse: Dabei konnte als typische im EEG erkennbare Wirkung des Benzodiazepins Flunitrazepam ein Anstieg der hirnelektrischen Leistung im Frequenzband beta-1 demonstriert werden, der etwa 10 Minuten nach oraler Gabe nachweisbar wurde und sein Maximum nach 30 Minuten erreichte. Er war initial Über dem frontalen und zentralen Cortex zu belegen und wurde erst 25 Minuten nach Applikation auch im okzipitalen und temporalen Bereich statistisch signifikant. Ein kontinuierlicher Anstieg der Leistung in den Frequenzbändern theta und delta war 20 Minuten nach Applikation zunächst zentral, okzipital und temporal nachweisbar. Er wurde im frontalen Bereich (F3, F4, Fz) erst 30 Minuten nach Medikamentengabe signifikant. Diese Veränderungen im Leistungsdichtespektrum konnten als nicht ausschließlich medikamenteninduziert interpretiert werden und mußten als Effekte der Schlafinduktion angesehen werden. 30 Minuten nach Gabe von Flunitrazepam zeigten sich signifikante Leistungsanstiege im Frequenzband alpha-2, die sich ausschließlich auf die frontalen und temporalen Elektroden beschränkten. Eine in der Literatur für andere Benzodiazepine beschriebene Reduktion der Leistung in den alpha-Bändern zeigte sich in dieser Untersuchung für Flunitrazepam nicht. Bei Gabe von Flunitrazepam plus Morphin ergaben sich qualitativ ähnliche Veränderungen, die allerdings schneller auftraten. Sie gingen mit statistisch gleichermaßen nachweisbaren, aber quantitativ geringgradigeren Leistungsanstiegen im niedrigfrequenten Anteil des Leistungsdichtespektrums (delta, theta) einher. Es zeigten sich ebenfalls topographische Unterschiede in der Verteilung der Leistung im Frequenzband alpha-2 zugunsten des frontalen Cortex.

Diskussion: Diese Untersuchung belegt, daß für die Überwachung der Wirkung eines Medikaments auf die hirnelektrische Funktion eine Lokalisationsdiagnostik entscheidend sein kann. Die zufällige Auswahl eines beliebigen Ableitpunktes kann typische medikamenteninduzierte Veränderungen vernachlässigen.

Summary

Aim: The effects on cerebral function of premedication with the benzodiazepine flunitrazepam and with morphine were studied on the evening of the preoperative day (2 mg flunitrazepam p.o.) and 90 minutes before induction of anaesthesia (2 mg flunitrazepam plus 15 mg morphine i.m.).

Design: The EEG was analysed topographically (17 electrodes) and quantitatively.

Results: As a typical effect of benzodiazepines, increases in electrical activity in the frequency band beta-1 of the power spectrum were observed, and could be demonstrated 10 minutes after oral application, mainly in the frontal and central parts of the cortex. Increases in the powerbands delta and theta indicated induction of sleep approximately 15-20 minutes after application and were not looked upon as an effect of the benzodiazepine exclusively. These increases were noticed first in the central, occipital and temporal areas and after 30 minutes in the frontal parts of the cortex. Flunitrazepam plus morphine showed qualitatively similar but quantitatively less pronounced results. Topographical differences were similar to the results of an application of flunitrazepam alone.

Discussion: The results demonstrate the importance of a topographical as well as quantitative evaluation in studies on complex interactions of sedative or narcotic drugs and their clinical effects on cerebral function.